Vorsicht im Umgang mit Fremdgeld 1

erschienen im KammerReport 5-2024 | 13.12.2024

Rechtsanwalt und Notar a.D., Karl F. Hofmeister, Olpe

Der Verfasser hat in seinen im Kammerreport Nr. 2/2020 und Nr. 4/2020 abgedruckten Aufsätzen die Gefahren und Rechtsfolgen aufgezeigt, die bestehen, wenn Fremdgeld auf einem Geschäftskonto der Anwaltskanzlei eingegangen ist und dieses nicht unverzüglich an den Empfangsberechtigten weitergeleitet wird. Die Fallstricke wurden anhand einiger Fälle aus der Gerichtspraxis erläutert.

Die Betrachtungen sollen nachstehend um einige Aspekte vertieft werden.

1. Verrechnung zweckbestimmter Mandantengelder mit anwaltlichen Honoraransprüchen 2

Behält ein Rechtsanwalt Fremdgelder längere Zeit auf seinem Geschäftskonto, handelt er seiner berufsrechtlichen Pflicht zuwider. Die unverzügliche Weiterleitung von Fremdgeld ist ein monumentaler Grundsatz anwaltlicher Pflichten.

Folgender Sacherhalt war Gegenstand eines Verfahrens vor einem Anwaltsgericht:

Der vor dem Anwaltsgericht angeschuldigte Rechtsanwalt veranlasste über mehrere Jahre wiederholt größere und kleinere für den jeweiligen Mandanten bestimmte Zahlungen auf ein Kanzleikonto, ohne für die unverzügliche Weiterleitung der Gelder an die jeweils materiell Berechtigten Sorge zu tragen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 Abs. 1 2. Altern. StGB (Untreue in der Variante des Treubruchtatbestands) im konkreten Fall festzustellen, bereitet oft Schwierigkeiten.

Ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrages zur Weiterleitung bestimmter Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, kann sich der Untreue strafbar machen. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BORA ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, eingegangene Fremdgelder unverzüglich an den Berechtigten weiterzuleiten oder, falls dies ausnahmsweise nicht sofort durchführbar ist, den Mandanten hiervon sofort in Kenntnis zu setzen und dafür Sorge zu tragen, dass ein dem Geldeingang entsprechender Betrag bei ihm jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung steht. Maßgebend für einen Verstoß nach § 266 StGB ist immer, ob das Vermögen des Mandanten durch die Pflichtverletzung gemindert wird (sog. Verschleifungsverbot3).

Wenn aber in der unterlassenen Weiterleitung die Absicht liegt, die eingenommenen Gelder endgültig für sich zu behalten, der Rechtsanwalt die eingenommenen Gelder zwar nicht auf Dauer für sich behalten will, aber ein dem Geldeingang entsprechender Betrag nicht jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung gehalten wird4 oder die Gefahr eines Vermögensverlustes groß ist, weil die auf dem Geschäftskonto befindlichen Gelder dem unabwendbaren Zugriff von Gläubigern offensteht5, handelt er in Vermögensbenachteiligungsabsicht.

Der Rechtsanwalt kann sich auf einen Nichteintritt eines Vermögensnachteils nicht mehr berufen, wenn er dies nicht unmittelbar bei Nichtauskehrung zweckbestimmter Fremdgelder auf Honoraransprüche, mit denen aufgerechnet werde, geltend macht6.

Das Nichtweiterleiten der Fremdgelder stellt nicht nur eine Verletzung anwaltlicher Berufspflichten aus §§ 43, 43 a Abs. 7 BRAO, 4 Abs. 1 und 2 BORA dar, sondern erfüllt in der Regel auch den Straftatbestand des § 266 StGB7, die auch eine Ausschließung aus der Anwaltschaft nach Maßgabe der §§ 113 Abs. 1, 114 BRAO erforderlich macht, um die rechtssuchende Bevölkerung vor ähnlichen Pflichtverletzungen in der Zukunft wirksam zu schützen8.

 

2. Verrechnung zweckbestimmter Mandantengelder mit Honoraran­sprüchen aus formularmäßig getroffener unwirksamer Vergütungsvereinbarung

Der Bundesgerichtshof hat jetzt mit Urteil vom 12.09.2024 entschieden, dass die Unwirksamkeit von Honorarvereinbarungen im Ganzen zwar nicht zur Unwirksamkeit der Anwaltsverträge insgesamt führt, der Verwender für seine anwaltlichen Tätigkeiten aber die gesetzliche Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz von dem Mandanten verlangen kann9.

Folgender Sachverhalt könnte sich hieraus ergeben:

Der Rechtsanwalt hatte mit seinem Mandanten eine unzulässige Vergütungsvereinbarung geschlossen. Zu beanstanden waren den Mandanten unangemessen benachteiligende Bestimmungen zur Erhöhung des Stundensatzes, zur Auslagenpauschale und zu einem Erfolgshonorar. Gegenüber der aus dem Mandat erlangten Zahlung in fünfstelliger Höhe erklärte der Rechtsanwalt erst vier Monate nach Zahlungseingang die Aufrechnung mit seinem Honoraranspruch aus der Vergütungsvereinbarung und brachte dann den zugunsten des Mandanten verbleibenden Betrag zur Auszahlung.  Der Mandant begehrt vor dem Landgericht Rückerstattung der bei Abrechnung des gesetzlichen Gebühren des RVG verbleibenden Differenzbetrages.

Bei einer Strafanzeige des Mandanten oder bei einem Antrag der Rechtsanwaltskammer auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens (§§ 116 ff. BRAO) wird in einem solchen Fall die Staatsanwaltschaft künftig prüfen müssen, ob der Anwalt seine anwaltlichen Berufspflichten aus §§ 43, 43 a Abs. 7 BRAO, 4 Abs. 1 und 2 BORA verletzt hat, ggf. auch, ob dem Mandanten ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB entstanden ist.

 

3. Fremdgeldweiterleitungspflicht gegenüber der Rechtsschutzversicherung

Wie vorstehenden aufgezeigt, hat ein Rechtsanwalt eine berufsrechtliche Pflicht zur Weiterleitung von Fremdgeld gegenüber dem Mandanten.

Folgender Sachverhalt war Gegenstand eines Verfahrens vor einem Anwaltsgericht:

In mehreren Verkehrsunfallsachen hatte ein Rechtsanwalt von der Rechtsschutzversicherung des Mandanten Kostenvorschüsse gefordert und erhalten. Nach außergerichtlicher und auch nach gerichtlicher Regulierung der Schadenersatzansprüche, in deren Rahmen der Unfallgegner auch die angefallenen Rechtsanwaltsgebühren gezahlt hatte, unterließ der Rechtsanwalt jeweils eine Rückzahlung der erhaltenen Vorschüsse an den Versicherer, sondern verrechnete diese mit seinem Honoraranspruch.

Das Anwaltsgericht Hamburg10 hatte in einer Entscheidung vom 17.11.2022 im Anschluss an das Urteil des BGH vom 23.07.2019 11 ausgeführt, es könne dahinstehen, ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Weiterleitung des Fremdgeldes vorliege oder der Rechtsanwalt zur Aufrechnung mit Honoraransprüchen gegenüber der Rechtsschutzversicherung berechtigt gewesen sei, denn diese gehöre nicht zum Kreis derer, um deren Schutz es bei der Behandlung von Fremdgeld gem. § 43 a Abs. 7 BRAO und § 4 Abs. 2 Satz 1 BORA gehe.Mit seiner Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichts mit dem Ziel, das freisprechende Urteil aufzuheben, beantragte die Generalstaatsanwaltschaft, den Anwalt wegen Verstoßes gegen § 43 a Abs. 5 Satz 2 BRAO a.F. (wortgleich mit § 43 a Abs. 7 S. 2 n.F.) zu verurteilen. Der Anwaltsgerichtshof Hamburg stellte in seinem Urteil vom 08.11.2023 12 fest, dass § 43 a Abs. 5 a.F das allgemeine Vertrauen in die Korrektheit und in die Integrität der Anwaltschaft in allen finanziellen Fragen und damit zugleich die Funktion der Anwaltschaft in die Rechtspflege schütze. Dieses Interesse rechtfertige es, die Pflicht zur Weiterleitung von Fremdgeld zusätzlich in den Rang einer öffentlich- rechtlichen Berufspflicht zu erheben 13. Fremdgelder im Sinne des § 43 a Abs. 5 S. 2 BRAO a.F. sind daher nicht nur Mandantengelder, sondern auch Fremdgelder der Versicherung (insbesondere Zahlungen auf Kostenerstattungsansprüche), die an diese weiterzureichen sind.

Im Ergebnis wird die Entscheidung des Anwaltsgerichthofes Hamburg, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Weiterleitung des Fremdgeldes an die Rechtschutzversicherung vorliegen kann, auch von dem Anwaltsgerichtshof Hamm geteilt 14.

 

Fazit

Wird Fremdgeld veruntreut, drohen dem Anwalt zahlreiche Sanktionen, strafrechtlich (§ 266 StGB), zivilrechtlich (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB) und berufsrechtlich (§ 43 a Abs. 7, 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO).

Vergreift sich der Anwalt am Fremdgeld deshalb, weil er sich selbst in finanziellen Schwierigkeiten befindet, nützen dem Mandanten diese Sanktionen oft wenig. In der Insolvenz des Anwalts ist der Mandant ungesichert und kann allenfalls mit einer Quote rechnen. Ansprüche gegen die Berufshaftpflichtversicherung des Anwalts sind in der Regel gemäß § 51 Abs. 3 Nr. 1 und 5 BRAO ausgeschlossen.

Bei einer Schädigung der Mandanten durch schuldhafte Verletzungen seiner Vermögensbetreuungspflicht gem. §§ 43, 43 a Abs. 7 BRAO, 266 StGB, ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des Anwaltsstandes betroffen und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft geschädigt.

Die Rechtsanwaltskammern können mit den ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufsichtsmitteln oft nur im Einzelfall aufgrund einer Beschwerde eines Mandanten mit einer Rüge (§ 73 BRAO) oder einem Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens (§§ 116 ff. BRAO) tätig werden. Diese Aufsichtsmittel reichen in der Regel nicht aus, um eine systematische Veruntreuung von Mandantengeldern zu erkennen, entgegenzuwirken und auszuschließen.

1 Fortsetzung zu Kammerreport Hamm 2/2020 und 4/2020, S. 8 f.
2 OLG München, Beschl. vom 05.04.2023 – 15 U 6218/22 – im Anschluss BGH, Beschl. vom 26.11.2019 – 2 StR 588/18 –
3 BVerfG  126, 170, 206; AnwBl Online 2020, 614-617
4 BGH, a.a.O., Rn.13, m.w.N.
5 BGH, a.a.O., Rn.13, m.w.N.
6 OLG München, a.a.O.; Weyland/Bauckmann, BRAO, 11. Aufl., Rn. 123 zu § 43 a
7 Anwaltsgerichtshof Hamm, Urteil vom 04.10.2024 – 2 AGH 2/23 –, Rn.34 f, juris
8 Anwaltsgerichtshof Hamm, a.a.O., Rn. 40; AGH NRW, Urteil vom 01.03.2019, BRAK-   Mitteilungen 4/2019, 196
9 BGH, Urteil vom 12.09.2024 – IX ZR 65/23 -, Rn. 57, juris; BGH NJW 2024, 3364 f.
10 Anwaltsgericht Hamburg, Urteil vom 17.11.2022 – III 31/21 EV 125/20 -, juris
11 BGH, Urteil vom 23.07.2019 –  VI ZR 307/18 – Rn. 14 ff.,juris
12 Anwaltsgerichtshof Hamburg, Urteil vom 08.11.2023-  AGH I EVY 4/2023 (I-43) -, Rn. 18, juris
13 Anwaltsgerichtshof Hamburg, a.a.O. m.w.N.
14 Anwaltsgerichtshof Hamm, a.a.O., Rn. 35

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Namen und Nachrichten: Vertrauensanwalt der Rechtsanwaltskammer Hamm

erschienen im KammerReport 4-2024 | 02.10.2024

Der Kammervorstand hat Herrn Rechtsanwalt und Notar a. D. Dr. Erhard Berghoff, Hamm, zum neuen Vertrauensanwalt der Rechtsanwaltskammer Hamm ab dem 01.11.2024 bestellt.

Aufgabe des Vertrauensanwalts ist es, Kammermitgliedern, die in wirtschaftliche Not geraten sind oder persönliche Probleme mit Auswirkungen auf ihre berufliche Tätigkeit haben, kollegiale Unterstützung zukommen zu lassen. Gemeinsam sollen Lösungsmöglichkeiten entwickelt werden, ohne dass die für das Kammermitglied einhergehende Offenbarung zwingend zur Einleitung eines Aufsichts- oder Widerrufsverfahrens der Rechtsanwaltskammer führt.

Der Vertrauensanwalt übt sein Amt unabhängig aus und ist, auch gegenüber den Organen und Angestellten der Rechtsanwaltskammer, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Er wird ehrenamtlich und für das ratsuchende Kammermitglied kostenlos tätig.

Zur Person:
Herr Kollege Dr. Berghoff, Jahrgang 1951, ist seit dem Jahre 1981 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und war bis zur Erreichung der Altersgrenze auch Notar. Er gehörte dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer von 01.11.2012 bis zum 31.10.2022 an und war hier Mitglied einer Aufsichtsabteilung, zuletzt als Vorsitzender. Seine anwaltlichen Tätigkeitschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht, Erbrecht, Gesellschaftsrecht, Grundstücks- und Immobilienrecht, Handelsrecht und Versicherungsrecht.

Kontakt:
RA Dr. Erhard Berghoff
Josef-Wiefels-Str. 11
59063 Hamm
Telefon:  0 2 3 8 1  /  9 2 4 9 1 – 0
Telefax:  0 2 3 8 1  /  9 2 4 9 1 1 0
E-Mail:   info@berghoff-deppenkemper.de
Internet: www.berghoff-deppenkemper.de 

Nachrichten aus der Anwaltsgerichtsbarkeit
Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen

Wiederernennung RA Prof. Dr. Michael Sattler, Bochum
Am 31.07.2024 endete die bisherige Amtszeit des als Mitglied (Beisitzer) bei dem Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen tätigen Kollegen Prof. Dr. Sattler, Bochum. Rechtsanwalt Prof. Dr. Sattler ist auf Vorschlag des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Hamm durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Hamm für die Zeit vom 01.08.2024 bis zum 31.07.2029 zum Mitglied (Beisitzer) des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen wieder ernannt worden.

Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Hamm

Wiederernennung RA Markus Neumann, Oerlinghausen
Am 14.06.2024 endete die bisherige Amtszeit des als Anwaltsrichter bei dem Anwaltsgericht Hamm tätigen Kollegen Markus Neumann, Oerlinghausen. Rechtsanwalt Neumann ist auf Vorschlag des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Hamm durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Hamm für die Zeit vom 15.06.2024 bis zum 14.06.2029 unter Berufung in das ehrenamtliche Richterverhältnis zum Mitglied des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Hamm wieder ernannt worden.

Wiederernennung RAin Regina Bazilowski, Warstein
Am 31.07.2024 endete die bisherige Amtszeit der als Anwaltsrichterin bei dem Anwaltsgericht Hamm tätigen Kollegin Regina Bazilowski, Warstein. Rechtsanwältin Bazilowski ist auf Vorschlag des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Hamm durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Hamm für die Zeit vom 01.08.2024 bis zum 31.07.2029 unter Berufung in das ehrenamtliche Richterverhältnis zum Mitglied und zur Vorsitzenden der I. Kammer des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Hamm wieder ernannt worden.

Wiederernennung RA Markus Conrad, Essen
Am 31.07.2024 endete diebisherige Amtszeit des als Anwaltsrichter bei dem Anwaltsgericht Hamm tätigen Kollegen Markus Conrad, Essen. Rechtsanwalt Conrad ist auf Vorschlag des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Hamm durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Hamm für die Zeit vom 01.08.2024 bis zum 31.07.2029 unter Berufung in das ehrenamtliche Richterverhältnis zum Mitglied des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Hamm wieder ernannt worden.

Wir beglückwünschen die Kollegin und die Kollegen zu ihrer Wiederernennung und wünschen ihnen für ihre weitere Tätigkeit viel Erfolg.

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Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz (8. Auflage) und Inkrafttreten des EU-Geldwäschepakets

erschienen im KammerReport 4-2024 | 02.10.2024

Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte, Syndikusrechtsanwältinnen und Syndikusrechtsanwälte sowie Kammerrechtsbeistände können Verpflichtete im Sinne des Geldwäschegesetzes (GwG) sein, wenn sie eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG aufgeführten Tätigkeiten ausführen. In diesem Fall müssen die Pflichten nach dem GwG beachtet und eingehalten werden.

Die Rechtsanwaltskammer Hamm hat als zuständige Aufsichtsbehörde für ihren Kammerbezirk gemäß § 51 Abs. 8 S. 1 GwG den Verpflichteten regelmäßig aktualisierte Auslegungs- und Anwendungshinweise für die Umsetzung der Pflichten nach den gesetzlichen Bestimmungen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zur Verfügung zu stellen. Die Aufsichtsbehörde kann diese Pflicht gemäß § 51 Abs. 8 S. 2 GwG auch dadurch erfüllen, dass sie solche Hinweise, die durch Verbände der Verpflichteten erstellt worden sind, genehmigt. Die am 25.07.2024 durch das Präsidium der Bundesrechtsanwaltskammer beschlossene 8. Auflage der Auslegungs- und Anwendungshinweise wurde durch Beschluss des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer Hamm am 23.08.2024 genehmigt und nun veröffentlicht.

Die Auslegungs- und Anwendungshinweise sind an aktuelle Gesetzesänderungen, Rechtsprechung und sich ergebende Probleme aus der Verwaltungspraxis der Rechtsanwaltskammern im Rahmen der Geldwäscheaufsicht angepasst worden. Des Weiteren sind im gesamten Dokument Klarstellungen zu den erforderlichen Pflichten von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten erfolgt.

Es hat insbesondere Änderungen, Anpassungen und Einarbeitungen im Hinblick auf die Pflichten von Syndikusrechtsanwälten, die Hochrisikoländer, die Einrichtung eines kanzleiinternen Hinweisgebersystems und die Mitwirkungspflichten von Mitgliedern gegenüber den Rechtsanwaltskammern gegeben.

Die Auslegungs- und Anwendungshinweise in allen bisher veröffentlichten Versionen finden Sie auf der Homepage der Rechtsanwaltskammer Hamm unter „Anwaltsservice“, dort: „Geldwäschegesetzverpflichtungen“ (www.rechtsanwaltskammer-hamm.de).

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie auch darüber informieren, dass am 19.06.2024 das EU-Geldwäschepaket im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden ist. Damit ist der letzte Schritt zu seinem Inkrafttreten getan. In drei Jahren wird die Geldwäscheverordnung unmittelbar anwendbar sein, für die Geldwäscherichtlinie starten Umsetzungsfristen von zwei bzw. drei Jahren.

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Berufsausübungsgesellschaften: Doppelmitgliedschaften von Organ-mitgliedern sollen künftig entfallen

erschienen im KammerReport 4-2024 | 02.10.2024

Das Gesetz zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen im Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe sieht auch vor, zukünftig  die Doppelmitgliedschaften in Rechtsanwalts- und anderen Berufskammern zu vermeiden.

  • 60 II Nr. 3 BRAO in der durch die „große BRAO-Reform“ zum 1.8.2022 geänderten Fassung bestimmt, dass Mitglieder von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften, die anderen Berufen angehören, auch Mitglied in der Rechtsanwaltskammer werden, der die Gesellschaft angehört. Dies hat zur Folge, dass eine Reihe nicht­anwaltlicher Organmitglieder, die bereits einer anderen Berufskammer angehören, zusätzlich auch Mitglied einer Rechtsanwaltskammer werden müssen.

Die BRAK, ebenso wie andere Berufskammern, halten diese Regelung für überflüssig; sie führe zu mehrfachem Verwaltungsaufwand und zu unnötigen Kosten für die betroffenen Berufsträger.

In seiner Sitzung am 4.7.2024 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der vom Rechtsausschuss in der Folge der Anhörung geänderten Fassung angenommen. Nach dieser geänderten Fassung von § 60 II Nr. 3 BRAO-E sollen nur noch solche nicht-anwaltlichen Organmitglieder von Berufsausübungsgesellschaften Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer werden, die nicht bereits Mitglied der Patentanwaltskammer oder einer Steuerberaterkammer sind.

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Neue Regelungen für Anwaltsrechnungen

erschienen im KammerReport 4-2024 | 02.10.2024

Bislang mussten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Vergütungsberechnungen in schriftlicher Form an ihre Mandantschaft mitteilen. Durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz wurde die entsprechende Formvorschrift in § 10 I 1 RVG geändert; danach genügt für die Berechnung nunmehr die Textform. Zudem ist es ausreichend, dass der Rechtsanwalt die Mitteilung der Vergütungsberechnung an den Mandanten veranlasst.

Abstriche bei der zivil-, straf- und standesrechtlichen Verantwortung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für die Richtigkeit der Vergütungsberechnung sind mit der Formerleichterung nicht verbunden. Dies kommt laut der Gesetzesbegründung in der Formulierung zum Ausdruck, dass (nur) die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt die Vergütung fordern kann und sie bzw. er die Mitteilung der Berechnung an den Auftraggeber veranlassen muss, sofern sie bzw. er die Rechnung nicht selbst verschickt.

Das Gesetz wurde am 16.7.2024 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 17.7.2024 in Kraft.

Die Formerleichterung entspricht einem Wunsch aus Anwaltschaft und Mandantschaft nach einer möglichst einfachen und barrierefreien elektronischen Übermittlung der anwaltlichen Berechnung. Die BRAK hatte sich wiederholt für eine entsprechende Änderung eingesetzt.

Allerdings steht die Formerleichterung nach dem neu gefassten § 10 RVG in Widerspruch zur verpflichtenden elektronischen Rechnungsstellung für inländische Umsätze im unternehmerischen Bereich (sog. “B2B-Umsätze”) in Form eines strukturierten Datensatzes nach § 14 UStG, die durch das Wachstumschancengesetz eingeführt wurde. Diese Verpflichtung gilt auch für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und tritt, ab dem 1.1.2025, mit unterschiedlichen Übergangsfristen aber spätestens zum 1.1.2028 ein. Die BRAK hat in beiden Gesetzgebungsverfahren auf diesen Widerspruch hingewiesen und sich für eine Ausnahmeregelung oder zumindest optionale Möglichkeit eingesetzt.

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BRAK und DAV: geplante Erhöhung der Anwaltsgebühren ist Schritt in die richtige Richtung

erschienen im KammerReport 4-2024 | 02.10.2024

Ein Mitte Juni vom Bundesministerium der Justiz vorgelegter Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und des Justizkostenrechts sieht eine lineare Erhöhung der gesetzlichen Anwaltsgebühren vor. Wertgebühren, die sich nach der Höhe des Streitwerts bemessen, sollen danach um 6 % steigen, Festgebühren um 9 %. Der Entwurf beinhaltet außerdem Erhöhungen der Gerichtskosten, der Gerichtsvollziehergebühren und der Vergütungssätze des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes für Sachverständige und Sprachmittler sowie der Entschädigungssätze für Telekommunikationsunternehmen für Überwachungsmaßnahmen.

Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und Deutscher Anwaltverein (DAV) setzen sich gemeinsam für eine Erhöhung der gesetzlichen Anwaltsgebühren ein, die insbesondere dem erheblichen inflationsbedingten Anstieg der Personal- und Sachkosten für Anwaltskanzleien seit der letzten Gebührenanpassung im Jahr 2021 Rechnung trägt. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme begrüßen BRAK und DAV, dass mit dem Referentenentwurf des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2025 die dringend erforderliche Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung in Angriff genommen wird.

Die vorgeschlagene lineare Erhöhung der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren ist aus Sicht von

BRAK und DAV ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, wenngleich nicht in der von der Anwaltschaft erhofften Höhe. Kritisch sehen sie jedoch die geringere prozentuale Erhöhung bei Wertgebühren. Begründet wird diese mit einem inflationsbedingten Anstieg der Streitwerte. Diese bleiben jedoch meist in derselben Wertstufe, so dass sich lediglich eine lineare Erhöhung um 6 % ergibt, die damit hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurückbleibt.

Der Referentenentwurf enthält daneben auch strukturelle Änderungen in mehreren Bereichen. Mit diesen setzen sich BRAK und DAV in ihrer Stellungnahme ebenfalls auseinander. Sie begrüßen insbesondere die Anhebung des Gegenstandswerts in Kindschaftssachen. Damit wird eine langjährige Forderung von BRAK und DAV umgesetzt. Ebenfalls angehoben werden sollen die Regel-Gegenstandswerte in Abstammungs-, Ehewohnungs- und Gewaltschutzsachen. Dies trägt aus Sicht von BRAK und DAV zwar dem hohen Aufwand in derartigen Fällen besser Rechnung, sie halten allerdings eine weitere Angleichung an den Regelwert für erforderlich.

Ebenfalls angehoben werden soll die Prozesskostenhilfevergütung. BRAK und DAV begrüßen insofern, dass die Gebühren an diejenigen für Wahlanwältinnen und -anwälte weiter angenähert werden. Sie sehen allerdings noch Verbesserungsbedarf. Die Pkh-Vergütung ist der einzige Bereich, in dem die Vergütung nach unten von dem ansonsten geltenden Regelwert von 5.000 Euro abweicht. Eine sachliche Rechtfertigung sehen BRAK und DAV hierfür nicht.

Die BRAK wird auch das weitere Gesetzgebungsverfahren kritisch begleiten.

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Wertschätzung?

erschienen im KammerReport 4-2024 | 02.10.2024

RA Detlef Wendt, Recklinghausen

Diesen Beitrag gestatte ich mir zu schreiben, weil ich immer öfter lesen und hören muss, dass Anwälte und Notare  sich über einen eklatanten Bewerbermangel an Auszubildenden beklagen und, was ich als besonders erstaunlich dabei empfinde, scheinbar vollkommen ratlos sind, was die Ursache dieses Phänomens sein könnte. Vermutlich würde ich mit diesem Beitrag, bezöge er sich auf einen anderen als den freien Beruf, in einem asozialen Netzwerk einen Shitstorm produzieren, der sich gewaschen hätte. Diese Gefahr sehe ich allerdings bei Anwälten und Notaren eher nicht. Gleichgültigkeit ist nämlich in der Angelegenheit, um die es hier geht, eines der hervorstechendsten Merkmale unserer Zunft. Damit meine ich nicht die gegenüber Mandanten, denn von denen leben wir, auch nicht die gegenüber Gerichten, denn von ihnen sind wir, zumindest die meisten von uns, in gewisser Weise abhängig, nein, ich meine die gegenüber den Auszubildenden, den unentbehrlichen Helferlein, deren von uns ihnen entgegengebrachte Wertschätzung von der eines Herrn Düsentrieb gegenüber seinem Helferlein so weit entfernt ist wie die Sonne vom Mond.

Wir, diese elitären Geisteswissenschaftler, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Menschen zu helfen, die Sprache, Gestik und Mimik bis ins Kleinste zu  beherrschen glauben, uns mit unserer Ausbildung für prädestiniert halten, große Unternehmen zu leiten, ja sogar Staaten als Kanzler oder Präsidenten vorzustehen und im Übrigen Fortbildungsmaßnahmen ausschließlich dann – und auch in diesem Fall nur in dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestumfang – besuchen, wenn es für die Fortführung eines Fachanwaltstitels notwendig ist, sind offenbar komplette Versager, wenn es darum geht, junge Menschen davon zu überzeugen, diesen Weg mit uns zu gehen, als ernst genommener und wertgeschätzter Mitarbeiter, der uns den bei der Rettung der Welt im Wege stehenden Kleinkram abnimmt, die Telefonate, die Vorgespräche, die Fristenüberwachung, die Schreiben, den Kaffee für die wichtigen Mandanten und die Gänge zu Gericht, zur Post und auch zum Bäcker um die Ecke, wenn wir mal wieder morgens keine Zeit zum Frühstücken hatten.

Ich begann meine Anwaltstätigkeit 1987 zunächst als Angestellter, später als Partner in einer Kanzlei von mehreren Sozien, manchmal drei, dann wieder vier oder fünf, zu Hochzeiten waren wir fast 30 Personen im Büro, incl. Putzfrau, denen die meisten Bosse  einen noch geringeren Stellenwert einräumen als den Auszubildenden; mit denen spricht man sowieso nicht, allenfalls dann, wenn beim Putzen des Schreibtischs ein darauf befindlicher Aktenstapel umgeworfen wurde. Oft wurden bei uns jährlich zwei Auszubildende eingestellt, so dass in manchen Jahren sechs jungen Menschen eine berufliche Perspektive gegeben werden konnte. Bei den Bewerbungsgesprächen bediente man sich zu Anfang meiner Tätigkeit eines Rechtschreibtests, der vermutlich von einem der Seniorpartner kurz nach Gründung der Kanzlei entworfen worden ist. Denn wer mag es leugnen: Korrekte Rechtschreibung ist des A und O aller Schriftsätze und dementsprechend auch aller Mitarbeiter, und wer die nicht beherrschte, hatte in keinem Büro, das etwas auf sich hielt, damit  auch in unserem nicht, etwas verloren. Wer beispielsweise bei der Niederschrift der Wörter Weinbrand und Branntwein versagte, durfte gehen, gelegentlich soll – ich möchte mich für diese Worte allerdings nicht verbürgen – der eindringliche Rat mit auf den Weg gegeben worden sein, es doch bei einem Discounter an der Kasse zu versuchen oder eine Friseurlehre zu beginnen. Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, sicher zu sein, nicht ein einziges Mal in über 30 Jahren in einem Schriftsatz die Worte Branntwein und Weinbrand untergebracht zu haben, habe jedoch so große Zweifel, dass es für den Grundsatz in dubio pro reo mehr als ausreichen würde.

Während meiner Tätigkeit habe ich es zum Glück nicht erleben müssen, habe aber vom Hörensagen – selbstverständlich wissen wir alle, wie unzuverlässig diese Weitergabe von Geschehnissen ist, fast noch dubioser als Stille Post – erfahren, dass es vor meiner Zeit durchaus vorgekommen sein soll, dass Auszubildende das Auto eines der Sozien waschen oder mit dessen Hund Gassi gehen durften. Darüber aufgeregt haben wir Junganwälte uns damals allenfalls am Rande, sollten wir es für aus der Zeit gefallen gehalten haben, hatten wir gar keine Lust, intensiver darüber nachzudenken, denn bei einem zehn- bis zwölfstündigen Arbeitstag in einer Sechstagewoche hatten wir Wichtigeres zu tun, als uns um den Ausbildungsstoff der Auszubildenden Gedanken zu machen. Wenn es dann doch einmal gelang, redeten wir uns ein, dass zumindest die erstgenannte Tätigkeit eng mit der Ausbildung verknüpft war, denn jedenfalls damals, also zur guten alten Zeit, fuhr man noch mit dem Auto zu Gericht, und damit war die Fahrzeugpflege Bestandteil der Rechtspflege. Wem die Verbindung zwischen Gassigehen und Ausbildungsstoff nicht sofort geläufig ist, mag an die Tierhalterhaftung in § 833 BGB erinnert werden.

Liebe Kollegen und von mir aus auch -innen (sollten Sie eine genderfreundliche Sprache in diesem Text vermissen, lesen Sie, bevor Sie schimpfen, bitte die Entscheidung des BGH vom 13.03.2018 VI ZR 143/17), machen wir uns nichts vor: Dass Anwälte und Notare unter einem massiven Bewerberschwund für ihre Auszubildenden leiden, haben sie – und ich nehme ausdrücklich geschätzte 5 % der Kollegen hiervon aus, zu denen Sie, der Sie dies gerade lesen, selbstverständlich gehören – ausschließlich selbst verursacht. Wieso? Hier nur einige Gründe:

  1. Die Arbeitszeit. In wie vielen Kanzleien beginnt sie um 8.00 Uhr und endet um 18.00 Uhr, manchmal sogar noch mit anschießendem Gang zur Post? Ach so, in Ihrer nicht, weil sie den Auszubildenden ja zwei Stunden Mittagspause gönnen? Das ist überaus großzügig von Ihnen, und: Wer macht nicht gerne zwei Stunden Mittagspause im Betrieb?
  2. Die Bezahlung. Wie oft musste die Kammer in den letzten 20 Jahren die Vergütungsempfehlung heraufsetzen? Und wie oft wurde und wird nicht einmal die eingehalten? Würden die Anwälte von vornherein eine angemessene Vergütung – und das betrifft leider nicht nur Auszubildende – zahlen, bräuchte man keine Empfehlung der Kammer.
  3. Desinteresse an der Ausbildung. Welcher Anwalt kennt eigentlich die Lehrpläne , die Rahmenbedingungen? Wer hat sich jemals die Lehrbücher angeschaut? Wer hat jemals die Berichtshefte gelesen und mit den Auszubildenden besprochen, und mit Besprechung meine ich nicht die rasche Unterzeichnung beim Rausgehen zu einem Gerichtstermin? Die meisten Anwälte haben nicht einmal eine Ahnung davon, wo genau sich die Berufsschule befindet, wie viele Auszubildende die jeweilige Klasse hat, wer die Lehrer sind und was dort überhaupt gelehrt wird. Und wie viele Anwälte, die doch einmal einen Blick in die von der Schule gestellten Aufgaben gewagt haben, mussten sich eingestehen, dass die Aufgaben teilweise so gehaltvoll sind, dass sie selbst an deren Bearbeitung verzweifeln und ohne eingehendes Studium einschlägiger Kommentare bei der Lösungsfindung hoffnungslos scheitern würden?
  4. Vermutlich das Schlimmste: Fehlende Wertschätzung, das schmerzliche Resultat aus einer Summe von Einzelteilen, zu denen auch die Nrn. 1-3 zählen. Ich will nicht so weit gehen wie ein mir bekannter Angestellter aus der Personalabteilung einer Sparkasse, zu behaupten, dass viele Anwälte ihre Mitarbeiter wie Leibeigene halten, aber: In welcher Kanzlei haben Auszubildende einen eigenen Arbeitsplatz (von einem eigenen Raum will ich gar nicht erst reden)? Seien wir ehrlich: Die meisten von uns machen sich darüber bei Anmietung von Kanzleiräumen nicht einmal den leisesten Gedanken. Und in wie vielen Kanzleien sitzen die Auszubildenden im Archiv oder im Abstellraum, auf einem ausgeleierten Schreibtischstuhl vor einem verschlissenen Kinderschreibtisch, den der Boss von zu Hause mitgebracht hat? Ich komme zum Glück aus einer für unsere örtlichen Verhältnisse als ordentlich (auch in räumlicher Hinsicht) zu bezeichnenden größeren Kanzlei, kenne aber genügend Büros, in denen das der Fall war, und niemand muss mir bitte erzählen, dass das ein Relikt aus der Steinzeit sei und ich keine Ahnung von den heute herrschenden Zuständen hätte.

Auszubildende haben einen Anspruch darauf, ernst genommen, höflich und angemessen behandelt und wertgeschätzt zu werden. Wertschätzung, liebe Kollegen, ist das Zauberwort, und solange es den Anwälten und Notaren daran mangelt, werden ihnen die jungen Menschen die Bude gewiss nicht mehr einrennen. Und sollten Sie einwenden wollen, an Bewerbern mangele es Ihnen gar nicht, nur deren Qualität lasse zu wünschen übrig, ist gerade auch das eine naturgegebene Folge der jahrzehntelangen mäßigen bis schlechten Behandlung. Gute Bewerber geben sich eben nicht mehr mit schlechter Bezahlung, unmöglichen Arbeitszeiten und geringster Wertschätzung zufrieden.

Ich habe mich früher gelegentlich gefragt, warum beispielsweise Banken und Versicherungen die Auszubildenden von Anwaltskanzleien nach bestandener Prüfung regelmäßig mit Kusshand übernommen haben. Darauf angesprochen sagte mir der o.g. Personaler einer Sparkasse, die Erklärung dafür liege auf der Hand: Azubis von Rechtsanwaltskanzleien seien wahrlich nicht verwöhnt, vielen käme es so vor, als wechselten sie von der Leibeigenschaft ins Paradies.

Wir alle (Sie merken, ich schließe mich trotz mehrjährigen Rentnerdaseins nicht aus), die wir uns über das Ausbleiben von Bewerbungen beklagen, haben es versäumt, den Beruf der Notariats- und Rechtsanwaltsfachangestellten attraktiv zu machen, weil wir lange Zeit den Blick für den Menschen, wenn nicht gar verloren, so aber zumindest tief vergraben haben. Ob Ihnen eine archäologische Meisterleistung im Rahmen einer Ausgrabung gelingt, bleibt abzuwarten. Ich drücke Ihnen zwar nicht hoffnungslos, aber durchaus skeptisch meine alten Daumen.

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Weniger Anwälte, mehr Syndizi und Fachanwältinnen und noch mehr BAG

erschienen im KammerReport 3-2024 | 21.06.2024

Die 28 Rechtsanwaltskammern verzeichneten zum Stichtag 01.01.2024 insgesamt 172.514 Mitglieder. Im Vergleich zum Vorjahr (169.388) bedeutet dies insgesamt einen leichten Zuwachs um 3.126 Mitglieder (1,85 %).

Dieser Zuwachs der Gesamtmitglieder basiert im Wesent­lichen auf dem enormen Anstieg der nichtanwaltlichen Mitglieder nach § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO, gefolgt von den Berufsausübungsgesellschaften (BAG). Aber auch mehr Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte waren Mitglieder der Rechtsanwaltskammern:

Zum Stichtag waren 165.776 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte* in allen Zulassungsarten zugelassen.

Das entspricht einem Plus von 0,36 % im Vergleich zum Vorjahr (165.186). Somit setzte sich der leichte Rückgang in den Jahren 2021 (165.680; -0,13 %), 2022 (165.587; -0,06 %) und 2023 (165.186; -0,24 %) in der Gesamtschau nicht fort.Konkret waren bundesweit 139.589 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Einzelzulassung (Vorjahr: 140.713; -1.124; -0,80 %), 6.806 Syndikusrechtsanwältinnen und -anwälte (Vorjahr: 5.937; +869; +14,64 %) und 19.381 in Doppelzulassung (Vorjahr: 18.536; +845; +4,56 %) zugelassen.

Damit sind die Zahlen der Einzelzulassungen erneut rückläufig. Der Trend geht weiterhin zur Zulassungsart Syndizi, die insbesondere bei Frauen sehr beliebt ist: Deren Anteil lag bei 59,39 %. Bei den doppelt Zuge­lassenen lag der weibliche Anteil bei 45,96 %, bei den einzeln Zugelassenen bei 34,77 %.

Insgesamt lag der Frauenanteil unter den zum Stichtag bundesweit zur Rechtsanwaltschaft Zugelassenen (165.776) mit 61.491 Rechtsanwältinnen bei 37,09 %. Der weibliche Anteil ist in allen Zulassungsarten um 1,52 % gestiegen (Vorjahr: 36,67 %). Die Entwicklung hält damit an.

Enorme Zuwächse gab es bei den zugelassen BAG und zwar um 47,63 % (01.01.2024: 4.727; Vorjahr: 3.202). Den größten Anteil daran haben die 3.177 PartGmbB, die gleich­zeitig mit 72,38 % den höchsten Zuwachs verzeichneten (Vorjahr: 1.843). Ferner waren 1.404 GmbH (Vorjahr: 1.268), 33 AG (Vorjahr: 30), 25 UG (Vorjahr: 16), 22 GmbH & Co KG (Vorjahr: 4), 35 LL.P. (Vorjahr: 1) und zehn sonstige Gesellschaften (Vorjahr: 2) zugelassen.

Außerdem waren 21 Personengesellschaften, die nach § 59f Abs. 1 Satz 2, 3 BRAO freiwillig ihre Zulassung beantragen können, zugelassen. Diesen unterfallen größtenteils die GbR, aber auch die PartG.

Die Anzahl der Mitglieder nach § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO, den nichtanwaltlichen Mitgliedern von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen der Berufsausübungsgesellschaften, stieg stark an: Verzeichneten die Rechtsanwaltskammern im Vorjahr noch 866 Mitglieder, waren es zum 01.01.2024 insgesamt 1.889. Die Zahl der nichtanwaltlichen Mitglieder hat sich damit bundesweit mehr als verdoppelt (+118,13 %).

Die Anzahl der Fachanwältinnen und Fachanwälte ist weiter gestiegen:

Zum Stichtag gab es 46.035 Fachanwälte (Vorjahr: 45.968), davon 15.201 Fachanwältinnen (Vorjahr: 15.026). Damit ist der Frauenanteil bei den Fachanwaltschaften erneut gestiegen und liegt bei 33,02 % (Vorjahr: 32,69 %). Gemessen an der Gesamtzahl der insgesamt zugelassenen Rechtsanwälte sind 27,77 % auch Fachanwälte; von den insgesamt zugelassenen Rechtsanwältinnen sind 24,72 % auch Fachanwältinnen.

Die Anzahl der erworbenen Fachanwaltstitel hat mit insgesamt 58.474 Titeln weiter zugenommen (Vorjahr: 58.339). 34.896 Rechtsanwälte (davon 12.292 weiblich) erwarben einen Fachanwaltstitel, 9.857 (davon 2.676 weiblich) zwei Fachanwaltstitel und 1.282 (davon 233 weiblich) die höchstmöglichen drei Fachanwaltstitel.

Beliebteste Fachanwaltschaft ist nach wie vor die für Arbeits­recht (11.163), gefolgt von der Fachanwaltschaft für Familienrecht (8.759), für Steuerrecht (4.695), für Verkehrsrecht (4.400) und Strafrecht (3.994). Die höchsten Zuwächse verzeichneten die Fachanwaltschaften für Vergaberecht (+10,54 %), für Sportrecht (+20,00 %), für Informationstechnologierecht (+5,53 %) und für Migrationsrecht (+5,46 %). Die Fachanwaltschaften für Sozialrecht (-2,69 %), für Familienrecht (-2,02 %) und für Transport- und Speditionsrecht (-1,73 %) hatten die höchsten Rückgänge.

* Der Begriff „Rechtsanwalt“ wird in den Statistiken „außer bei gesondert aufgeführten Einzeldaten“ für alle Zulassungsarten und Geschlechter verwendet.

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Schon gewusst? Elektronischer Rechtsverkehr mit den Gerichtsvollziehern

erschienen im KammerReport 3-2024 | 21.06.2024

Für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr kann für Gerichtsvollzieher ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) oder ein elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingerichtet werden. Es besteht daher die Möglichkeit, Aufträge zur Zustellung oder Zwangsvollstreckung sowie Sachstandsanfragen unmittelbar an Angehörige des Gerichtsvollzieherdienstes zu richten. Wurde ein entsprechendes Postfach eingerichtet, sind die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher unter ihren Namen und der Geschäftsanschriften im eBO-Adressbuch zu finden. In diesem Fall können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch per beA unmittelbar mit den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern kommunizieren. Diese können im beA im Gesamtverzeichnis gesucht und ausgewählt werden.

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Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft

erschienen im KammerReport 3-2024 | 21.06.2024

von Uta Fölster (Schlichterin) und Alexander Jeroch (Geschäftsführer)

Streit zwischen Rechtsanwalt und Mandant: mehr Schlichtung wagen
Zum 1.1.2011 nahm in Berlin die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft (SdR) ihre Arbeit auf. Gäbe es sie noch nicht, müsste man sie erfinden, denn die SdR kann im Bereich der einvernehmlichen Streitbeilegung auf erfolgreiche Jahre zurückblicken. Was macht die SdR und was zeichnet sie aus? Zehn kurze Antworten auf häufig gestellte Fragen:

Wofür ist die SdR zuständig?
Sie soll und kann helfen, Streit zwischen Anwältin/Anwalt und Mandantin/Mandant zu schlichten, sofern

  • es um eine „vermögensrechtliche“ Streitigkeit aus dem Mandatsverhältnis geht, deren Wert 50.000 € nicht übersteigt, und
  • der Streit nicht bei Gericht rechtshängig ist oder war.

Wer kann einen Schlichtungsantrag stellen?
Sowohl die Anwältin/der Anwalt/ als auch die Mandantin/der Mandant.

Muss die SdR tätig werden oder kann sie es auch ablehnen, einen Schlichtungsvorschlag zu erarbeiten?
Ja, sie kann ablehnen. Außer den bereits genannten Voraussetzungen (Wertgrenze und gerichtliche Rechtshängigkeit) soll ein Antrag binnen drei Wochen zum Beispiel auch abgelehnt werden, wenn

  • der Anspruch nicht zuvor gegenüber der anderen Partei geltend gemacht worden ist,
  • der Antrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat oder mutwillig erscheint,
  • eine berufsrechtliche Überprüfung bei der Rechtsanwaltskammer oder eine strafrechtliche Überprüfung bei der Staatsanwaltschaft anhängig ist.

Wie wird geschlichtet?
Das Verfahren ist freiwillig und kostenfrei. Mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen finden nicht statt. Ein Schlichtungsantrag muss schriftlich gestellt werden. Liegen keine Ablehnungsgründe vor, haben die Parteien rechtliches Gehör erhalten und sind alle notwendigen Unterlagen eingereicht, so unterbreitet die SdR ab diesem Zeitpunkt binnen 90 Tagen einen Schlichtungsvorschlag. Der Vorschlag enthält einen Tatbestand, also eine Zusammenfassung des Sachverhalts, und eine rechtliche Würdigung. Die Parteien können den Vorschlag ohne weitere Begründung annehmen oder ablehnen. Nehmen beide den Vorschlag an, schließen sie damit einen außergerichtlichen Vergleich, an den sie gebunden sind. Lehnt auch nur eine Seite den Vorschlag der SdR ab, ist das Verfahren beendet. Es bleibt den Parteien nach erfolglosem Abschluss des Schlichtungsverfahrens unbenommen, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten.

Was ist mit Verjährungsfristen?
Unter bestimmten Voraussetzungen kann mit Eingang des Antrages bei der SdR die Verjährung für die Dauer des Verfahrens gehemmt werden.

Das gilt jedenfalls dann, wenn

  • die SdR die zuständige Schlichtungsstelle ist,
  • Ablehnungsgründe nicht vorliegen,
  • der Anspruch sich ausreichend konkret aus dem Vortrag und den Unterlagen ergibt,
  • die gegnerische Seite nicht bereits im Vorfeld signalisiert hat, an einem Schlichtungsverfahren nicht teilzunehmen.

Warum mehr Schlichtung wagen?
Erfolgreiche Schlichtung spart zum einen Geld und Nerven. Anders als ein streng formalisiertes und u. U. kostenintensives gerichtliches Verfahren bietet die flexible Streitschlichtung größeren Raum für Kulanz und Interessenabwägungen. Sie kann stärker Rücksicht nehmen auf das, was im Einzelfall „recht und billig“ ist, und bietet deshalb größere Gewähr für einen dauerhaften Frieden zwischen den Streitenden.

Außerdem spart die Schlichtung Zeit: Sie dauert bei der SdR im Schnitt nur ca. vier Monate, ein gerichtliches Zivilverfahren (1. und 2. Instanz) hingegen im Schnitt rund 18 Monate.

Und auch, wenn ein Schlichtungsvorschlag nicht angenommen wird, so dürfte die Lektüre der gründlichen rechtlichen Ausführungen in dem einen oder anderen Fall zu einem Erkenntnisgewinn führen.

Wer arbeitet bei der SdR?
Beschäftigt sind aktuell eine Schlichterin, ihr Stellvertreter, ein Geschäftsführer (Anwalt), sechs Anwältinnen und Anwälte (jeweils in Teilzeit) sowie fünf Assistentinnen und Assistenten. Beratend steht der SdR ein neunköpfiger Beirat zur Seite.

Was macht den Erfolg der SdR aus?
Jährlich gehen ca. 1.000 Anträge ein, meist gestellt von Mandantinnen und Mandanten. In rund 400 Verfahren unterbreitet die SdR Schlichtungsvorschläge. Ganz überwiegend sehen die Vorschläge ein gegenseitiges Nachgeben vor, die Annahmequote betrug zuletzt 64% – eine erfolgreiche Bilanz für die SdR und vor allem für die streitenden Parteien.

Die Schlichtungsstelle würde sich freuen, wenn noch mehr Anwältinnen/Anwälte von sich aus eine Schlichtung beantragten.

Ist die SdR unabhängig?
Ja. Dazu verpflichten die rechtlichen Vorgaben des Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, der BRAO und der Satzung der Schlichtungsstelle. Sie schreiben die Unabhängigkeit der Einrichtung, die Unparteilichkeit und Verschwiegenheitspflicht ihrer Beschäftigten fest und sehen u. a. vor, dass eine Schlichterin/ein Schlichter nicht Anwältin/Anwalt sein darf. So waren und sind seit der Gründung der SdR ausschließlich frühere Richterinnen/Richter als Schlichterin/Schlichter tätig. Zwar ist die SdR aus organisatorischen Gründen bei der BRAK angesiedelt, sie ist jedoch in ihrer inhaltlichen Arbeit weisungsfrei.

Wo gibt es nähere Informationen?
Unter www.s-d-r.org oder
telefonisch unter 030/ 28 44 441 70.

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