Sie wollen eine Sozietät in Form einer GmbH & Co.KG führen? Sie möchten mit einem Diplom-Betriebswirt, Diplom-Informatiker oder Ingenieur zusammenarbeiten? Sie möchten ein elektronisches Postfach für Ihre Sozietät? Ab 01.08.2022 wird das möglich sein.
Der Teil der großen BRAO-Reform (BGBl I v. 12.07.2021, S. 2363 ff.), der am 1. August 2022 in Kraft treten wird, schafft neue Möglichkeiten der beruflichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten. Diese werden im Folgenden dargestellt:
Zusammenarbeit in allen Rechtsformen
Die BRAO regelt in der künftig geltenden Fassung in den §§ 59 b ff. das Recht der sogenannten „Berufsausübungsgesellschaften“ neu und stellt klar, dass sich Rechtsanwälte zur gemeinschaftlichen Ausübung ihres Berufs zu „Berufsausübungsgesellschaften“ verbinden dürfen. Anders als bisher sind Rechtsanwälte hierbei nicht mehr in der Wahl der Rechtsform beschränkt (bisher i. e. L. auf die GbR, die PartG/PartGmbB oder die GmbH), sie können sich gem. § 59 b Abs. 2 BRAO n. F. in allen Gesellschaftsformen nach deutschem oder europäischem Recht organisieren oder auch in Gesellschaftsformen, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum bestehen. Und zwar auch dann, wenn sie einziger Gesellschafter dieser Berufsausübungsgesellschaft sind und – wie bisher bereits zulässig – bereits einer anderen Berufsausübungsgesellschaft angehören.
Mehrstöckige Gesellschaften
Nach § 59 i Abs. 1 BRAO n. F. können zugelassene Berufsausübungsgesellschaften Gesellschafter einer anderen Berufsausübungsgesellschaft sein. Dies ermöglicht sogenannte „mehrstöckige Gesellschaften“, also insbesondere die Organisation in einer GmbH & Co. KG. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hier die berufsrechtlichen Vorgaben vereinheitlicht werden sollen, z. B. bei Steuerberatern ist die Organisation in einer GmbH & Co. KG nach § 50a Absatz 1 Nummer 1 StBerG bereits zulässig und wird längst genutzt. Es sollen aber nur solche Gesellschaften Gesellschafter werden dürfen, die selbst den Anforderungen der §§ 59b ff. BRAO n. F. genügen. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt: „Durch die Beschränkung auf zugelassene Berufsausübungsgesellschaft und die damit verbundene Kammerzulassung wird die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgaben durch die Rechtsanwaltskammer sichergestellt.“ (BT-Drucks. 19/27670 S. 191).
Sozietätsfähige Berufe/Gesellschafter
Bisher konnten Rechtsanwälte nur mit den in § 59 a BRAO aufgelisteten Berufsgruppen zusammenarbeiten, also insbesondere Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Ab 01.08.2022 wird der Kreis dieser sozietätsfähigen Berufe erheblich erweitert. Nach § 59 c Abs. 1 BRAO n. F. können sich Rechtsanwälte nicht nur mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer, Mitgliedern der Patentanwaltskammer, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern und bestimmten Angehörigen solcher Berufe aus anderen Staaten zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden, sondern insbesondere mit sämtlichen Personen, die einen freien Beruf ausüben. § 59 c Abs. 1 Nr. 4 BRAO n. F. verweist hier auf § 1 Abs. 2 PartGG.
Rechtsdienstleistungen dürfen auch hier selbstverständlich nur entsprechend qualifizierte Personen erbringen, § 59 k, l Abs. 2 BRAO n. F. Die Gesellschaft muss dafür sorgen, dass Rechtsdienstleistungen nur durch entsprechend befugte Personen erbracht werden. Berufsfremde Gesellschafter/Geschäftsführer erhalten keine Rechtsdienstleistungsbefugnis. Und natürlich ist die gemeinsame Berufsausübung dann ausgeschlossen, wenn in der Vergangenheit in schwerwiegender Weise gegen Berufspflichten verstoßen wurde, § 59 d Abs. 4 und 5 BRAO n. F. oder diese Person z. B. aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung als unwürdig i. S. d. § 7 Nr. 5 BRAO angesehen würde. Und: Nach § 59 c Abs. 5 ist im Gesellschaftsvertrag der Ausschluss von Gesellschaftern vorzusehen, die in schwerwiegender Weise oder wiederholt gegen die Berufspflichten nach Absatz 1 bis 3 verstoßen. Damit wird sichergestellt, dass die rechtsanwaltlichen Gesellschafterinnen und Gesellschafter die Möglichkeit haben, die Zusammenarbeit mit anderen Gesellschafterinnen und Gesellschaftern zu beenden, die die anwaltlichen Berufspflichten missachten.
Festzuhalten ist auch: Alle Gesellschafter müssen in der Gesellschaft beruflich tätig sein, eine reine Kapitalbeteiligung an einer Berufsausübungsgesellschaft bleibt also wie bisher unzulässig. Eine Abhängigkeit von reinen Kapitalgebern soll nach wie vor verhindert werden. Nach § 59 c BRAO n. F. müssen alle Gesellschafter, auch Nicht-Rechtsanwälte, „aktiv“ in der Gesellschaft mitarbeiten. Der Unternehmensgegenstand kann daher gem. § 59 c Abs. 2 BRAO n. F. neben der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten um die Ausübung des jeweiligen nichtanwaltlichen Berufs erweitert werden. Wie diese aktive Mitarbeit gestaltet wird, hat der Gesetzgeber nicht näher geregelt und bleibt den Gesellschaftern überlassen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/27670, S. 175) wird ausgeführt: „So soll es beispielsweise auch zukünftig möglich sein, dass eine Gesellschafterin oder ein Gesellschafter sich etwa auf das Kanzleimanagement oder die Mandatsakquise konzentriert oder dass Gesellschafterinnen und Gesellschafter aus Altersgründen nur noch in geringem Umfang für die Gesellschaft tätig werden.“
Keine Mehrheitserfordernisse
Weder in der Geschäftsführung, noch bei den Gesellschaftern der Berufsausübungsgesellschaft müssen Rechtsanwälte in der Mehrheit sein. Allerdings müssen dem Geschäftsführungsorgan der Berufsausübungsgesellschaft Rechtsanwälte in vertretungsberechtigter Zahl angehören, § 59 j Abs. 3 BRAO n. F.. Zudem muss am Sitz der Berufsausübungsgesellschaft ein geschäftsführender Rechtsanwalt tätig sein, § 59 m Abs. 1 BRAO n. F.. Und die Unabhängigkeit der dort tätigen Rechtsanwälte muss gesichert sein, bei der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten sind Weisungen von Personen, die keine Rechtsanwälte sind, gegenüber Rechtsanwälten ebenso unzulässig wie Einflussnahmen durch Gesellschafter, § 59 j Abs. 1 S. 2, Abs. 6 BRAO n. F.. Ausgeschlossen sind alle Weisungen, die die in § 3 Absatz 1 BRAO beschriebene anwaltliche Tätigkeit betreffen. Dies umfasst auch die Fragen, ob ein Mandat übernommen und fortgeführt wird.
Nur wenn sich die Berufsausübungsgesellschaft „Rechtsanwaltsgesellschaft“ nennen möchte (wie bisher die nach §§ 59 d ff. BRAO a. F. zugelassenen anwaltlichen Kapitalgesellschaften), dann müssen nach § 59 p BRAO n. F. mehrheitlich Rechtsanwälte Mitglieder des Geschäftsführungsorgans sein und die Mehrheit der Stimmrechte haben.
Zulassungspflicht
Generell bedürfen die Berufsausübungsgesellschaften der Zulassung durch die zuständige Rechtsanwaltskammer, § 59 f Abs. 1 BRAO n. F.. Hiervon ausgenommen sind aber nach Absatz 2 Gesellschaften ohne Haftungsbeschränkung mit Gesellschaftern/Geschäftsführern, die bisher sozietätsfähigen Berufen, also insbesondere Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer, angehören.
Dies bedeutet:
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- GmbH, AG, UG (haftungsbeschränkt): zulassungspflichtig – bereits bestehende und als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassene GmbHs und AGs gelten gem. § 209 a Abs. 1 BRAO n. F. als zugelassene Berufsausübungsgesellschaft, eine Antragstellung ist nicht erforderlich.
- PartGmbB: zulassungspflichtig – gem. § 209 a Abs. 2 BRAO n.F. müssen bestehende Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung bis spätestens 01. November 2022 die Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft beantragen.
Alle bestehenden Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung müssen bis 01.11.2022 die Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft beantragen !
Alle anderen Gesellschaftsformen, in denen Rechtsanwälte beruflich zusammenarbeiten, also insbesondere die Partnerschaftsgesellschaft (ohne beschränkte Berufshaftung) und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, müssen dann nicht als Berufsausübungsgesellschaft zugelassen werden, sofern die Partner Rechtsanwälte, Mitglied einer Patentanwaltskammer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und/oder vereidigte Buchprüfer sind.
Die nicht zulassungspflichtigen Gesellschaften können aber die Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft beantragen, wenn sie dies möchten (§ 59 f Abs. 1 S. 2 BRAO n. F.).
Berufshaftpflichtversicherung
§ 59 n Abs. 1 BRAO n. F. normiert die Pflicht aller Berufsausübungsgesellschaften, ob zugelassen oder nicht, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und zu unterhalten. Bisher war eine Versicherungspflicht nur für den einzelnen Rechtsanwalt vorgeschrieben, § 51 BRAO, und für die in einer GmbH organisierten Rechtsanwälte, § 59 j BRAO a. F.. Für die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung war eine solche Versicherung vorgeschrieben, um so die Haftungsprivilegierung nach § 8 Abs. 4 PartGG i. V. m. § 51 a BRAO zu bekommen.
Für alle anderen Sozietäten war dies bisher zwar möglich, aber nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Die vorzuhaltende Mindestversicherungssumme ist nach § 59 o BRAO n. F. abhängig von der Rechtsform und der Zahl der in der Berufsausübungsgesellschaft tätigen Personen. Haftet rechtsformbedingt keine natürliche Person für Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung oder ist die Haftung beschränkt, beträgt die Mindestversicherungssumme demnach 2,5 Millionen Euro. Sind dort nicht mehr als zehn (anwaltliche und nichtanwaltliche) Berufsträger in der Gesellschaft tätig, verringert sich die Mindestversicherungssumme auf 1 Mio Euro. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es auf die Zahl der in der Gesellschaft tätigen Personen ankommt, nicht auf die Zahl der Gesellschafter. Auch der Umfang der Tätigkeit ist hier irrelevant, sodass auch Angestellte Berufsträger, Freie Mitarbeiter und Teilzeitkräfte mitzuzählen sind (nicht aber dort tätige Referendare).
Ohne Haftungsbeschränkung beträgt die Mindestversicherungssumme nach § 59 o Abs. 3 BRAO n. F. 500.000 Euro für jeden Versicherungsfall – unabhängig von der Anzahl der dort tätigen Berufsträger.
Die Jahreshöchstleistung nach § 59 o Abs. 4 BRAO n. F. kann auf den Betrag der jeweiligen Mindestversicherungssumme, vervielfacht mit der Zahl der Gesellschafter und der Geschäftsführer, die nicht Gesellschafter sind, begrenzt werden. Bei mehrstöckigen Gesellschaften ist die Anzahl der Gesellschafterinnen und Gesellschafter sowie der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowohl in der Mutter- als auch in der Tochtergesellschaft für die Berechnung der Jahreshöchstleistung zu berücksichtigen (BT-Drucks. 19/27670, S 199).
Achtung persönliche Haftung !
Wird die Berufshaftpflichtversicherung nicht oder nicht in dem vorgeschriebenen Umfang unterhalten, so haften neben der Berufsausübungsgesellschaft die Gesellschafter und die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans persönlich in Höhe des fehlenden Versicherungsschutzes, § 59 n Abs. 3 BRAO n. F.
Wichtig anzumerken ist auch, dass der regelmäßig in den Bedingungen der Versicherungen vorgesehene Ausschluss der Deckung wissentlichen Pflichtverletzungen gem. § 59 n Abs. 2 BRAO n. F. nur in nicht haftungsbeschränkten Berufsausübungsgesellschaften vorgesehen werden kann.
Es ist empfehlenswert, sich mit einem Versicherungsvertreter/-makler in Verbindung zu setzen und eine Überprüfung bzw. Anpassung der bestehenden Berufshaftpflichtversicherung vorzunehmen.
Alle bestehenden Sozietäten sind verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, auch die Gesellschaften, die nicht als Berufsausübungsgesellschaften zugelassen sind!
Die Pflicht zur Unterhaltung einer Berufshaftpflichtversicherung zur Aufrechterhaltung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft der in der Berufsausübungsgesellschaft tätigen Rechtsanwälte nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 9, 51 BRAO bleibt daneben bestehen!
Veröffentlichung im Rechtsanwaltsregister
Jede zugelassene Berufsausübungsgesellschaft wird ab 01.08.2022 im Rechtsanwaltsregister gesondert aufgeführt, § 31 BRAO n. F.. Dieses wird elektronisch geführt und ist unter www.rechtsanwaltsregister.org einsehbar. Die Einsicht ist, wie in § 31 b BRAO vorgeschrieben, unentgeltlich möglich. Nach § 31 b Abs. 4 BRAO n. F. wird in das Register nicht nur Name, Rechtsform und Zulassungsdatum der Berufsausübungsgesellschaft eingetragen, sondern insbesondere auch die Namen der Gesellschafter und deren Beruf. Es wird also künftig auch für die Rechtsuchenden ersichtlich sein, wer Gesellschafter einer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaft ist, welchen Berufsgruppen diese angehören und auch welche Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsorgane für die Berufsausübungsgesellschaft handeln.
Elektronisches Gesellschaftspostfach
Nach § 31 b BRAO n. F. richtet die Bundesrechtsanwaltskammer für jede im Gesamtverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach empfangsbereit ein. Ab 01.08.2022 erhalten somit alle zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften automatisch ein eigenes elektronisches Postfach, für das eine gesonderte beA-Karte bestellt werden muss – neben den bestehenden beAs der dort tätigen Rechtsanwälte mit deren persönlichen beA-Karten und ggf. Mitarbeiterkarten, die Rechte an diesen beAs zugewiesen bekommen haben. Die Justiz muss sich also ab 01.08.2022 keinen sachbearbeitenden Rechtsanwalt einer Sozietät mehr für Zustellungen suchen, sondern wird künftig an das elektronische Postfach der Berufsausübungsgesellschaft zustellen. In der Berufsausübungsgesellschaft werden so Zustellungen zentral eingehen, ein eventueller Wechsel des sachbearbeitenden Rechtsanwalts im Mandat ist unproblematisch und nur in der internen Postbearbeitung der Berufsausübungsgesellschaft zu organisieren.
Bisher sieht § 21 Abs. 3 RAVPV n. F. vor, dass die Berufsausübungsgesellschaft der Rechtsanwaltskammer die Namen der vertretungsberechtigten Rechtsanwälte mitteilen soll, die befugt sein sollen, für die Berufsausübungsgesellschaft Dokumente mit einer nicht-qualifizierten elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden. Die Namen dieser Personen sollen gem. § 31 b Abs. 2 BRAO an die Bundesrechtsanwaltskammer übermittelt werden, sodass die BRAK diesen Personen Rechte im elektronischen Postfach einräumen könnte. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält dies zu Recht für einen Systembruch, der Postfachinhaber allein soll Rechte im Postfach einrichten dürfen. Es wurde bereits eine Gesetzesänderung angeregt, um sicherzustellen, dass die Vergabe von Rechten dem Postfachinhaber, also der Berufsausübungsgesellschaft, und den dazu von ihm berechtigten Personen vorbehalten bleibt. Die Umsetzung dieser Anregung war zu Redaktionsschluss noch offen, darf aber erwartet werden.
Zugelassene Berufsausübungsgesellschaften erhalten ein eigenes elektronisches Postfach, an das Behörden und Gerichte elektronische Zustellungen vornehmen können. Die Bearbeitung und Rechtevergabe für die Berufsausübungsgesellschaft muss also organisiert werden!
Die persönlichen beA-Postfächer der in der Berufsausübungsgesellschaft tätigen Rechtsanwälte bleiben daneben bestehen und müssen ebenso kontrolliert und der Posteingang entsprechend bearbeitet werden!
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die Berufsausübungsgesellschaft zudem für Zweigstellen die Einrichtung weiterer gesonderter elektronischer Postfächer beantragen kann, § 31 b Abs. 4 BRAO n.F..
Berufsausübungsgesellschaft ist Träger von Berufspflichten
Neu im reformierten Berufsrecht wird die Berufsausübungsgesellschaft als zentrale Organisationsform anwaltlichen Handelns anerkannt. Anknüpfungspunkt der berufsrechtlichen Regulierung sind künftig nicht mehr ausschließlich die einzelnen Berufsträger, sondern „auch die Entität, in der diese ihren Beruf ausüben“ (BT-Drucks. 19/27670, S. 2). Berufsausübungsgesellschaften sind künftig folglich nicht nur postulationsfähig (§ 59 l BRAO n. F.), sondern selbst Träger von Berufspflichten. Gemäß § 59 e BRAO n. F. können gegen zugelassene Berufsausübungsgesellschaften künftig auch berufsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Sorgt die Gesellschaft zum Beispiel nicht dafür, dass Rechtsdienstleistungen nur durch eine hierfür befugte Person erbracht werden, wäre dies ein Berufsrechtsverstoß (BT-Drucks. 19/27670, S. 195). Sanktionierbar wird ein Verstoß gegen Berufspflichten für eine Berufsausübungsgesellschaft dann, wenn entweder eine Leitungsperson gegen Berufspflichten verstößt oder die Verstöße der Gesellschaft wegen unzureichender Organisations- und Aufsichtsmaßnahmen zurechenbar sind.
Die zugelassene Berufsausübungsgesellschaft selbst wird Mitglied der Rechtsanwaltskammer, § 59 f Abs. 3, § 60 Abs. 2 Nr. 2 BRAO n. F.. Ebenso die nichtanwaltlichen Mitglieder der Geschäftsführung der Berufsausübungsgesellschaften, § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO. Diese sind gem. § 59 j Abs. 4 f BRAO n. F. an die anwaltlichen Berufspflichten gebunden und unterliegen der Berufsaufsicht der Kammer, sie können durch die Rechtsanwaltskammer ebenso gerügt werden wie die Berufsausübungsgesellschaft selbst und die dort tätigen Rechtsanwälte. In § 59 e Abs. 4 BRAO n. F. wird klargestellt, dass persönliche berufsrechtliche Verantwortlichkeit der Gesellschafter, Organmitglieder und sonstigen Mitarbeiter der Berufsausübungsgesellschaft von diesen Regelungen unberührt bleibt.
Bürogemeinschaften
Viele Rechtsanwälte nutzen Räumlichkeiten gemeinsam, um sich die Kanzleikosten zu teilen. Diese sogenannten Bürogemeinschaften werden in § 59 q Abs. 1 BRAO n.F. erstmals definiert. Bisher war die Bürogemeinschaft lediglich in § 59 a Abs. 3 BRAO a.F. erwähnt und beschränkte den Kreis der zugelassenen Bürogemeinschafter auf die in Abs. 1 und 2 aufgelisteten sozietätsfähigen Berufe, also auf Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Mitglieder der Patentanwaltskammer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und manche Angehörige solcher Berufe aus anderen Staaten. Ab 01.08.2022 wird es möglich sein, sich mit sämtlichen insbesondere auch gewerblichen Berufen in einer Bürogemeinschaft unter Nutzung gemeinsamer Betriebsmittel zu organisieren. Ausgeschlossen sind dann lediglich Berufe, die gem. § 7 Nr. 8 BRAO mit dem Anwaltsberuf unvereinbar sind, also insbesondere die Berufsgruppen der Versicherungsmakler, Finanzberater und Immobilienmakler (Zusammenfassung s. Dahns NJW-spezial 2020, 702).
Nach § 59 q Abs. 3 BRAO n. F. sind die in der Bürogemeinschaft tätigen Rechtsanwälte verpflichtet, „angemessene organisatorische, personelle und technische Maßnahmen zu treffen, die die Einhaltung ihrer Berufspflichten gewährleisten“, so insbesondere die Pflicht zur Verschwiegenheit. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt (BT-Durchs. 19/27670, S. 200): „Hierzu gehört insbesondere eine Trennung der Arbeitssphären und EDV-Zugriffsrechte, um die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht abzusichern.“
Auch ist darauf zu achten, dass jeder Bürogemeinschafter rechtlich selbstständig bleibt und insbesondere kein gemeinsamer Briefbogen verwendet wird.
Achtung Briefbogenkontrolle!
Vielfach werden Briefbögen verwendet, bei denen durch die namentliche Nennung dort (im Innenverhältnis angestellter oder frei mitarbeitender oder in Bürogemeinschaft) tätiger Rechtsanwälte angenommen werden könnte, diese würden ihren Beruf zusammen in einer Sozietät ausüben. Diese müssen sich ggf. nach außen hin so behandeln lassen, als seien sie eine Sozietät, haften also nach Rechtsscheinsgrundsätzen ggf. als Gesamtschuldner für Berufsfehler, Stichwort „Scheinsozietät“. (vgl. Baldringer AnwBl. 2005, 676 ff. m.w.N.; BGH NJW 2001, 165; BGH Urt. v. 6.11.2013 Az. 1 ZR 147/12).
Prüfen Sie daher den von Ihnen verwendeten Briefbogen und sprechen Sie wegen eventueller Haftungsgefahren mit dem Vertreter Ihrer Berufshaftpflichtversicherung!
Ausblick: MoPeG
Im Zusammenhang mit der Reform des anwaltlichen Sozietätsrechts wurde auch das Personengesellschaftsrecht reformiert. Das sogenannte Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (BGBl. I v. 17.08.2021, S. 3436ff) regelt insbesondere in § 107 HGB n.F. i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB, dass auch freiberufliche Gesellschaften ohne Gewerbebetrieb in das Handelsregister eingetragen werden. Das MoPeG tritt erst am 01.01.2024 in Kraft.
*) Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der RAK Nürnberg