Ausbildung fördern! – Aber wie?

Rechtsanwältin Julia Püngel, Juristische Referentin der RAK Hamm

erschienen im KammerReport 2-2022 | 27.06.2022

Die Ausbildungszahlen für den Ausbildungsberuf zum/r Rechtsanwalts- und Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten gehen immer weiter zurück. Konnten im Jahr 2019 noch 795 Berufsausbildungsverträge bei der Rechtsanwaltskammer Hamm registriert werden, waren es im Jahr 2020 nur noch 642 Verträge. Die Coronapandemie hat ihr Übriges zu einer negativen Tendenz beigetragen, sodass teilweise Fachklassen dieses Ausbildungsgangs aufgrund zu geringer Schülerzahlen geschlossen werden müssen und der Fachkräftemangel damit in Zukunft immer weiter steigen wird. Daher ein Appell an alle Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, Syndikusrechtsanwälte und Syndikusrechtsanwältinnen und Notare und Notarinnen im Kammerbezirk: Bilden Sie aus!

Prüfen Sie Ihre Kanzleikapazitäten und investieren Sie in Ihren eigenen Kanzleibetrieb. Denn nur mit qualifizierten Fachkräften können Anwaltsbüros erfolgreich aufrechterhalten werden.

Alles rund um Ausbildung

Die ersten Fragen, die sich stellen, wenn man sich für die Ausbildung einer/s Rechtsanwalts- oder Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten entschieden hat, lauten oftmals: Wie finde ich Auszubildende oder wie kann ich Ausbildungsstellen ausschreiben? Wer ist zur Ausbildung befähigt? Welche Inhalte muss der Vertrag enthalten? Welche Besonderheiten sind beim Vertragsabschluss zu berücksichtigen?

Um diese ersten Unklarheiten auszuräumen, daher folgende Hinweise und Tipps:

1.  Stellenangebote und -gesuche

Die Rechtsanwaltskammer Hamm hat auf der Ausbildungshomepage der Kammer eine Onlinebörse eingerichtet, auf der kostenlos Stellenangebote und -gesuche eingestellt werden können (http://onlineboerse-rechtsanwaltskammer-hamm.de). Nutzen Sie diese Möglichkeit, um Auszubildende anzuwerben oder zu finden.

Darüber hinaus können auch Ausbildungsplätze in der lokalen Presse inseriert oder auf Internetplattformen zur Job- bzw. Ausbildungssuche eingestellt werden. Auch die örtlichen Arbeitsagenturen sind bei der Stellensuche vermittelnd tätig.

2.  Berufsausbildungsverträge

Wenn dann der oder die richtige Auszubildende gefunden ist, kommt es zum Vertragsabschluss. Hierfür können Sie sich ein Muster des Berufsausbildungsvertrages auf der Ausbildungshomepage der Kammer unter http://www.ausbildung-rechtsanwaltskammer-hamm.de/ herunterladen (Downloads – ReNo – Berufsausbildungsvertrag). Dort finden Sie auch ein Merkblatt, das auf Besonderheiten vertraglicher Inhalte wie z. B. Vergütung, Jahresurlaub etc. hinweist.

Zu den wichtigsten Inhalten Folgendes:

Wer kann ausbilden?Jede/r zugelassene Rechtsanwalt/-anwältin, Syndikusrechtsanwalt/-anwältin, Notar/in.
Wie lange dauert die Ausbildung?
Drei Jahre.

Kann die Ausbildung verkürzt werden?
Ja. Beim Vorliegen einer entsprechenden schulischen Vorbildung (z. B. Abitur oder mindestens theoretischer Teil der Fachhochschulreife) kann die reguläre Ausbildungsdauer um bis zu 12 Monate verkürzt werden. Wenn vorab eine EQ-Maßnahme durchgeführt wurde (s. u.), ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Verkürzung von sechs Monaten möglich.

Wann kann die Ausbildung beginnen?
Die Ausbildung kann ganzjährig und zu jedem Zeitpunkt im Jahr begonnen werden.

Wie viel muss gezahlt werden?
Die Vergütungshöhe richtet sich nach den vom Vorstand beschlossenen Kammerempfehlungen und steigt mit jedem Ausbildungsjahr an. Die Kammer empfiehlt derzeit eine Ausbildungsvergütung von 1.000,00 € (1. Lehrjahr), 1.050,00 € (2. Lehrjahr) und 1.100,00 € (3. Lehrjahr). Eine Unterschreitung von bis zu 20 % ist möglich.

Was ist die Betriebsnummer?
Die Betriebsnummer der Kanzlei muss angegeben werden, damit der Vertrag eingetragen werden kann. Diese kann bei der zuständigen Agentur für Arbeit erfragt werden.

Was ist der Kurzfragebogen zur Berufsbildungsstatistik?
Ganz wichtig ist, dass der sogenannte Kurzfragebogen zur Berufsbildungsstatistik miteingereicht wird, da die Kammer zur Führung bestimmter Statistiken gesetzlich verpflichtet ist. Diesen finden Sie gleichfalls unter der oben genannten Downloadkategorie.

3.  Ausbildungsinhalte

Da es sich um eine duale Ausbildung handelt, werden die angehenden Fachkräfte nicht nur im Betrieb ausgebildet, sondern besuchen auch die Fachklasse des nächstgelegenen Berufskollegs. Für die fachliche Ausbildung in der Kanzlei ist der sogenannte Ausbildungsrahmenlehrplan maßgeblich, an dem sich die Ausbilder/innen orientieren können und sollten. Dieser enthält neben den Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten, die zu erlernen sind, auch zeitliche Vorgaben, was in welchem Ausbildungsabschnitt in welchem Umfang vermittelt werden soll. Den ausführlichen Ausbildungsrahmenlehrplan finden Sie unter http://www.ausbildung-rechtsanwaltskammer-hamm.de/wp-content/uploads/2015/05/Ausbildungsrahmenplan_2015.pdf

Besondere Ausbildungsmodelle

Mittlerweile gibt es mehrere Ausbildungsmöglichkeiten und -formen, die eventuell eine Alternative zur üblichen Ausbildung bieten.

1.  Einstiegsqualifizierungsmaßnahme

Bei einer EQ-Maßnahme (sog. Einstiegsqualifizierung) handelte es sich nicht um eine Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz, sondern um ein sozialversicherungspflichtiges Langzeitpraktikum. Schülerinnen und Schüler, die nach ihrem Schulabschluss noch eine Berufsorientierungsphase benötigen, sind für diese Art von Praktikum geeignet. Die Dauer beträgt mindestens 6 Monate, aber höchstens 12 Monate. Die Berufsschule muss von schulpflichtigen Schülerinnen und Schülern gleichfalls besucht werden. Zudem muss eine Vergütung gezahlt werden, die von der Agentur für Arbeit bezuschusst wird. Für allgemeine und weitere Informationen wenden Sie sich an Ihre örtliche Arbeitsagentur oder schauen Sie unter https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba013244.pdf und https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba014606.pdf.

Eine EQ-Maßnahme dient nicht nur dem Berufseinstieg, sondern auch der Vermittlung beruflicher Handlungsfähigkeit und ist auf eine Übernahme in ein anschließendes Ausbildungsverhältnis angelegt.

Wenn eine EQ-Maßnahme mindestens zehn Monate absolviert wurde und dass schulische Zeugnis eine mindestens ausreichende Leistung aufweist, kann dies zu einer Anrechnung von sechs Monaten auf die vorgeschriebene Ausbildungsdauer von drei Jahre führen.

2.  Teilzeitausbildung

Des Weiteren ist es auch möglich eine Teilzeitausbildung durchzuführen. Die/Der Auszubildende arbeitet dann nicht die üblicherweise vorgesehenen 40 Wochenstunden, sondern bis zu 30, 25 oder 20 Wochenstunden. Weniger als 20 Stunden pro Woche sind nicht zulässig. Anteilig kann dann auch die Vergütung gekürzt werden. Aufgrund der geringeren Ausbildungszeit muss aber auch die Ausbildungsdauer anteilig verlängert werden. Konkret bedeutet dies, dass die Ausbildung um ein halbes Jahr verlängert wird, wenn sich die wöchentliche Arbeitszeit auf 25 bis 29 Stunden beläuft. Werden 20 bis 24 Stunden pro Woche abgeleistet, verlängert sich die Ausbildung um ein ganzes Jahr.

3.  Verbundausbildung

Darüber hinaus ist eine sog. Verbundausbildung möglich. Hierbei sind z. B. Unternehmen und Anwaltskanzleien als Ausbilder im Ausbildungsvertrag eingetragen. Das heißt, dass einige Ausbildungsabschnitte im Unternehmen und einige Teile der Ausbildung in der Kanzlei absolviert werden. So können sich die Verbundpartner in fachlicher Hinsicht ergänzen und damit eine qualifizierte Ausbildung nach den Vorgaben des Ausbildungsrahmenlehrplans gewährleisten. Voraussetzung ist jedoch, dass beide Verbundpartner über einen fachlich geeigneten Ausbilder verfügen (zugelassene/r Anwalt/Anwältin, Notar/in oder Syndikusrechtsanwalt/-anwältin). Intern können die Verbundpartner die entstehenden Kosten etc. für die Ausbildung teilen. Maßgeblich ist aber, dass die vertraglichen Vereinbarungen (Vergütung, Jahresurlaub etc.) den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Auch Kanzleien können sich als Verbund zusammenschließen.

Sollten Sie noch weitere Fragen haben und/oder Informationen benötigen, melden Sie sich gerne bei der Kammergeschäftsstelle unter info@rak-hamm.de oder 02381-985000 oder besuchen Sie die Ausbildungshomepage der Rechtsanwaltskammer Hamm unter http://www.ausbildung-rechtsanwaltskammer-hamm.de. Wir unterstützen Sie!  

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