10 Probleme im internationalen Geschäftsverkehr

10 Probleme im internationalen Rechtsverkehr

Liste häufiger Probleme im internationalen Geschäftsverkehr und die Haftung der Geschäftsleitung

RA Dr. Tim-Werner Linne, Bad Salzuflen

erschienen im KammerReport 2-2022 | 27.06.2022

Seit dem 1.1.2022 ist die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs für professionelle Einreicher obliga­torisch. Dies bedeutet, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Schriftsätze, Anträge und Erklärungen den Gerichten nur noch in elektronischer Form übermitteln dürfen. Doch was ist zu tun, wenn die Justiz aus tech­nischen Gründen nicht auf elektronischem Wege erreichbar ist?

Wir sehen immer wieder Fälle im internationalen Warenverkehr, bei denen eine deutsche Muttergesellschaft mit ausländischen Tochtergesellschaften für Handel und Produktion beteiligt sind, bei denen den Unternehmen aufgrund von Unachtsamkeiten größere Schäden entstehen. Mit diesem Beitrag wollen wir Sie in der Beratung von Mandanten mit internationalem Geschäft für einige Punkte sensibilisieren. Gerade das internationale Geschäft birgt viele Risiken, die uns als Anwälte im rein innerdeutschen Geschäftsverkehr sonst nicht betreffen.

Es ist auch nicht unüblich, dass damit gleich zwei Rechtsordnungen betroffen sind, auch wenn es eine Rechtswahlklausel gibt, da sachenrechtliche Problematiken (beispielsweise eine wirksame Verpfändung oder beim Arrest) sich häufig ausschließlich und nicht dispositiv nach dem Recht des Ortes richten, an dem die Sache belegen ist.

In einigen Fällen haben sich die untenstehenden Risiken kumuliert und zu erheblichen Schäden geführt, die sich bei ordentlicher Beratung hätten vermeiden lassen.

Steht der ausländische Kunde eines Mandanten ggf. kurz vor einem Insolvenzverfahren oder ist zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig und es sind bereits Rechnungen in einer Höhe fällig, für die die Sicherungsmittel nicht ausreichen, ist es natürlich problematisch, einfach weiter zu liefern. Trotzdem haben wir dies bei einigen Mandanten beobachtet, die scheinbar damit Umsatzziele halten oder erreichen wollten.

Proklamiert dieser Kunde dann aber, dass seine Insolvenzgefahr vor allem auch durch die Lieferverzögerung des Mandanten hervorgerufen wurde und sich die Insolvenzgefahr künftig eher vergrößern würde, drohen ggf. Regressforderungen, falls ohne ausdrücklich nachvollziehbare Gründe die weiteren Lieferungen eingestellt werden.

Besteht der Kunde dann noch darauf, dass sich Ihr Mandant an die Lieferverpflichtung halten müsse und trotz der unbezahlten und fälligen Rechnungen weitere Lieferungen erfolgen sollen, besteht höchste Gefahr.

Wenn dann die produzierte Ware am freien Markt nicht gut verkäuflich ist (ggf. weil Trademark-Rechte dies verhindern oder es sich um sehr spezielle Produkte oder Einzelanfertigungen handelt) sind fast alle Druckmittel für eine Einigung verloren und Ihr Mandant begibt sich vollständig in die Abhängigkeit des Kunden.

Liefert man weiter, wird sich das Risiko für Ihren Mandanten weiter vergrößern, liefert man nicht weiter, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der Schaden realisieren und der Kunde ins Insolvenzverfahren gehen und versuchen, ggf. Schadenersatz von Ihrem Mandanten zu verlangen.

Gerade aggressive Investoren/Geschäftsleute nutzen solche Schwächen bewusst aus.

Aufgrund der Komplexität und Vielfalt der möglichen Fallstricke empfiehlt es sich daher rechtzeitig zu prüfen, ob an alle wesentlichen Punkte gedacht wurde. Wir haben daher eine kurze (nicht abschließende) Liste von den Top 10 Punkten erstellt, die jedes international agierende Unternehmen regelmäßig durch seinen Anwalt prüfen sollte, wobei es sich empfiehlt, dass dieser den Vorgang vor allem auch dokumentiert, damit sich Geschäftsleiter später ggf. exkulpieren können. Dies gilt umso mehr, als neuerdings aufgrund des StaRUG erhöhte Anforderungen an Geschäftsleiter gestellt werden, Risiken frühzeitig zu beobachten, zu bewerten und zu erkennen. Andernfalls droht ggf. eine persönliche Haftung der Geschäftsleiter.

Forderungsabsicherung – Ein Risikomanagementsystem muss bei Erreichen von z. B. 90 % der verantwortbaren Kreditlinie und bei Überziehen der Kreditlinie (Sicherheiten) automatisch warnen. Dann muss auch eine Reaktion erfolgen; die Warnung allein genügt nicht. Eine geeignete Reaktion könnte sein, keine weiteren Aufträge mehr entgegenzunehmen, bis die Sicherheiten erhöht wurden. Es muss im Vorfeld schon im Unternehmen kommuniziert werden, was genau in diesen Fällen zu geschehen hat, und es darf nicht dem Zufall überlassen werden, ob rechtzeitig und angemessen reagiert wird.

Akkreditiv / Letter of Credit – Der Wortlaut von einigen Letter of Credit / Akkreditiven / Bankgarantien ist oftmals nachteilig. Man sollte und muss den Wortlaut für einen LC vorgeben bzw. Sie sollten für Ihren Mandanten ein Muster entwerfen. Im Wortlaut kommt es sehr darauf an, dass keine Anknüpfungspunkte für die Bank gefunden werden können, um die Auszahlung zu verweigern oder erheblich zu verzögern. Andernfalls kann sich das Sicherungsmittel später als wertlos entpuppen.

Eigentumsvorbehalt – Eigentumsvorbehalt ist im internationalen Verkehr oft keine sinnvolle Sicherungsmethode, wenn die Ware de facto an andere Kunden unverkäuflich ist. Dies kann der Fall sein, da die Ware durch Trademarks gesichert ist und keine Lizenzvereinbarung besteht oder dass es sich um quasi unverkäufliche Spezialteile handelt, die nur von dem ursprünglichen Kunden verwendet werden können. Alternative Sicherungsmittel können Versicherungen, Garantien / Factoring etc. sein.

Schwimmende Ware sichern – Es sollten Orderkonnossement mit Indossament „Bill of Lading to order” ausgestellt werden bzw. eindeutig geregelt sein, dass alle Dokumente (auch alle Kopien/Durchschläge), die das Eigentum repräsentieren, bis zur vollständigen Bezahlung nur beim Verkäufer verbleiben. Andernfalls gibt man mit der Übergabe der Waren an den Transporteur die vollständige Kontrolle über die Waren auf.

Bestellungen – Kunden sollten nach Möglichkeit nur Bestellformulare nutzen, die von Ihnen anwaltlich geprüft sind und auf denen klar die AGB abgedruckt sind. Unklarheiten, wie die Bestellung zustande gekommen ist und welche Bedingungen dann genau gelten, können so vermieden werden.

Bestellbestätigungen – Bestellbestätigungen sollten nach Möglichkeit unverbindlich bezüglich des Liefertermins sein und mittels von Ihnen anwaltlich geprüften Formulars erfolgen. Werden Bestellungen formlos bestätigt, besteht das Risiko, dass ein unerwünschter Vertrag zustande kommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn schon nicht ein eigenes Bestellformular genutzt wurde.

AGB – Gibt es wirksame (?) und aktuelle AGB und wurden Sie tatsächlich auch wirksam einbezogen? Empfangsbestätigung und Einverständniserklärung mit Unterschrift und Stempel einer zeichnungsberechtigten Person sind im internationalen Verkehr fast immer Voraussetzung für die Gültigkeit der AGB. Gerade deutsche Unternehmen, vernachlässigen häufig die Einbeziehung der AGB, da dies nach deutschem Recht bekanntlich außergewöhnlich einfach angenommen werden kann. Einkaufsbedingungen der Gegenseite sollten abgelehnt werden und deren Ablehnung ordentlich dokumentiert werden. Oftmals sind solche Einkaufsbedingungen einseitig vorteilhaft für den Kunden und nicht für Ihren Mandanten. Können sie nicht abgelehnt werden, müssen die sich daraus ergebenen Risiken bekannt sein und auch in den Preis einkalkuliert werden.

Lieferverträge – Existieren Rahmenliefer- bzw. Verkaufsverträge und werden diese im täglichen Geschäft auch wirklich so eingehalten? Geschäftsbeziehungen beginnen häufig mit einer einzelnen Bestellung (PO) oder im kleinen Rahmen, sodass kein ausdrücklicher schriftlicher Liefervertrag geschlossen wird. Dies kann sich nach einigen Jahren schnell als großer Fehler herausstellen, wenn die Geschäftsbeziehung erheblichen Umfang angenommen hat und es über viele Punkte keine klaren Regelungen gibt. Wenn dies erst im Krisenfall auffällt, ist es häufig zu spät, größeren Schaden abzuwenden.

Marken – Warenzeichen – Trademarks – Lizenzvereinbarungen – Sind (also in allen Ländern), wo es in den nächsten 5 Jahren wichtig sein könnte, alle Trademarks in allen wichtigen Klassen und für den richtigen Inhaber registriert und gibt es wirksame Lizenzverträge? Aus deutscher steuerlicher Sicht gilt dies auch zwischen der inländischen Kapitalgesellschaft und ausländischen Tochtergesellschaften! Auch für Start-ups drohen steuerliche Probleme, wenn Marken vorschnell für natürliche Personen registriert werden und diese Person später Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft wird. Hier kann eine Treuhandvereinbarung und der richtige Zeitpunkt der Markenanmeldung eine steuerliche Betriebsaufspaltung verhindern. Produziert, handelt oder verkauft Ihr Mandant Ware mit fremden Trademarks, sollte regelmäßig (einmal pro Jahr) geprüft werden, wer der jeweilige Inhaber der Lizenzen / Trademarks ist und ob mit diesem eine wirksame Lizenzvereinbarung geschlossen wurde. Andernfalls drohen Regressforderungen und Abmahnungen.

Incoterms – Wird die richtige Incoterm-Klausel genutzt? Spätestens seit dem Update der Incoterms 2020 ist die FOB-Klausel für den Containerverkehr weltweit nicht mehr die richtige, denn sie ist primär für Stückgutverkehr gedacht. Es sollte also, je nachdem wer für den Import, die Verpackung und für die Versicherung zuständig ist, die richtige Klausel gewählt werden, die auch Akkreditiv-gerecht sein muss.

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