Das Hinweisgeberschutzgesetz aus anwaltlicher Perspektive*

erschienen im KammerReport 4-2023 | 20.09.2023

Am 02.07.2023 ist das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) nach einem langen Gesetzgebungsverfahren in Kraft getreten. Das Gesetz, das die EU-Whistleblower-Richtlinie umsetzt, regelt den Schutz natürlicher Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an eine hierfür eingerichtete Meldestelle weitergeben (sogenannte Hinweisgeber bzw. Whistleblower). Der Schutz der Hinweisgeber besteht insbesondere darin, dass Repressalien gegen sie verboten sind. Zu diesen Repressalien gehören Kündigungen oder Handlungen, die im Zusammenhang mit der Meldung einen Nachteil für die hinweisgebende Person darstellen.

Aus anwaltlicher Perspektive besonders relevant ist die Frage, welche Auswirkungen das Hinweisgeberschutzgesetz auf die anwaltliche Berufsausübung haben wird. Damit Sie sich einen ersten Überblick darüber verschaffen können, ob Sie vom Hinweisgeberschutzgesetz betroffen sind und ggf. welche Pflichten auf Sie zukommen, haben wir Ihnen im Folgenden die wichtigsten Informationen zusammengestellt.

1. Anwendungsbereich des HinSchG
Das HinSchG umfasst die Meldung von

  • strafbewehrten Verstößen,
  • bußgeldbewehrten Verstößen, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient, sowie
  • Verstößen gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, soweit diese spezifische, in § 2 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG aufgeführte Schutzbereiche betreffen (bspw. Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, zum Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation, zur Sicherheit der Informationstechnik oder zu steuerlichen Pflichten).

Eine Meldung oder Offenlegung ist nicht geschützt, sofern durch die Meldung die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht verletzt würde.

2. Pflichten nach dem HinSchG
Ist der Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet, sind Repressalien des Arbeitgebers gegen Hinweisgeber verboten. Hierzu gehören z. B. Kündigungen, die im Zusammenhang mit einer Meldung ausgesprochen werden. Im Falle von Repressalien haben die hinweisgebenden Personen entsprechende Schadensersatzansprüche. Hierbei besteht eine Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers.

Zur Abgabe einer Meldung stehen interne sowie externe Meldestellen zur Verfügung.

Beschäftigungsgeber mit mindestens 50 Beschäftigten sind verpflichtet, eine interne Meldestelle zu errichten. Damit können auch Anwaltskanzleien – unabhängig von der Rechtsform – nach dem HinSchG davon betroffen sein. Zu den Beschäftigten zählen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und alle Auszubildenden.

Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern sind nach dem Gesetz nicht verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. Da die sonstigen Regelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes jedoch auf diese Anwendung finden, können Meldungen von Verstößen in kleineren Unternehmen, die keine interne Meldestelle eingerichtet haben, deshalb nur gegenüber einer externen Meldestelle eingereicht werden. Selbstverständlich steht es kleineren Unternehmen frei, auf freiwilliger Basis eine interne Meldestelle einzurichten.

Beim Bundesamt für Justiz wird zudem eine externe Meldestelle eingerichtet, an die sich Hinweisgeber wenden können, die keine interne Meldestelle nutzen möchten oder deren Arbeitgeber keine interne Meldestelle eingerichtet hat. Daneben richten der Bund und die Länder weitere externe Meldestellen für die Meldung von Verstößen gegen spezifische Rechtsnormen ein (bspw. bei der BaFin und dem Bundeskartellamt).

Eine hinweisgebende Person soll die freie Wahl haben, ob sie sich zunächst an eine interne Stelle des Unternehmens oder an eine externe Meldestelle wenden möchte. Interne Stellen haben somit keinen Vorrang vor externen Meldestellen; gleichwohl soll die interne Meldestelle bevorzugt genutzt werden, wenn keine Einwände hiergegen bestehen.

Eine Meldung an eine interne oder externe Meldestelle darf durch den Arbeitgeber nicht behindert werden.

Dem Hinweisgeber kommt das HinSchG nur zugute, sofern er eine Meldung gemäß dem HinSchG erstattet. Eine Übermittlung des Hinweises an die Öffentlichkeit ist daher durch das HinSchG nicht geschützt. Erst wenn innerhalb der gesetzlichen Frist für eine Rückmeldung keine geeigneten Folgemaßnahmen ergriffen wurden oder der Hinweisgeber keine Rückmeldung über solche Folgemaßnahmen erhalten hat, unterfällt er auch hinsichtlich weiterer von ihm ergriffener Maßnahmen dem HinSchG. Zudem bestehen eng gefasste Ausnahmen in Konstellationen, in welchen dem Hinweisgeber die Abgabe einer Meldung nicht zugemutet werden kann (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG).

Das Offenlegen unrichtiger Informationen über Verstöße ist verboten.

3. Einrichtung der internen Meldestelle
Die interne Meldestelle kann eine beim Arbeitgeber beschäftigte Person oder eine aus mehreren beschäftigten Personen bestehende Arbeitseinheit sein. Personen, die für die Meldestelle arbeiten, müssen entsprechend geschult sein; sie dürfen auch andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen, allerdings ist hierbei sicherzustellen, dass keine Interessenkonflikte entstehen.

Die Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher (telefonisch oder per Sprachnachricht) oder in Textform ermöglichen; auf Wunsch der hinweisgebenden Person sind auch persönliche Treffen zu organisieren.

Die Aufgaben einer internen Meldestelle können auch von beauftragten Rechtsanwälten oder Anwaltskanzleien wahrgenommen werden.

Der Übernahme einer solchen Aufgabe stehen keine grundsätzlichen berufsrechtlichen Bedenken entgegen. Eine Tätigkeit als ausgelagerte interne Meldestelle ist vergleichbar beispielsweise mit den bisher bereits zulässigen Tätigkeiten als externer Datenschutz- oder Compliance-Beauftragter.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sich bei der Tätigkeit als interne Meldestelle nicht um eine dem Beruf des Rechtsanwalts vorbehaltene Tätigkeit handelt. Daher besteht die Möglichkeit, dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als interne Meldestelle nach dem HinSchG für ein Unternehmen eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, die gewerbesteuerpflichtig ist (vgl. zur Frage der Gewerblichkeit von externen Datenschutzbeauftragten BFH, Urt. v. 14.01.2020, Az. VIII R 27/17).  Eine gesetzgeberische oder richterliche Einschätzung zur Gewerblichkeit ausgelagerter interner Meldestellen liegt bislang nicht vor.

In berufsrechtlicher Hinsicht ist insbesondere das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen zu beachten. Obwohl es sich bei der Tätigkeit als interne Meldestelle regelmäßig nicht um ein klassisches anwaltliches Mandatsverhältnis handeln wird, ist auch das widerstreitende berufliche Tätigwerden außerhalb des Anwaltsberufs gem. §§ 43a Abs. 6, 45 Abs. 1 Nr. 3 BRAO unzulässig. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn die Tätigkeit als interne Meldestelle für das Unternehmen eines Dauermandanten übernommen werden soll.

Dabei gelten dieselben Maßstäbe wie für den Fall einer klassischen Interessenkollision aufgrund zweier einander widersprechender anwaltlicher Mandatsverhältnisse: Beiden Tätigkeiten muss ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde liegen und gleichzeitig müssen die Interessenlagen beider Tätigkeiten einander widersprechen. Es wäre daher nicht zulässig, dass ein Rechtsanwalt, der einerseits als interne Meldestelle beauftragt ist, gleichzeitig dasselbe Unternehmen im Kündigungsverfahren gegen einen Hinweisgeber vertritt. Ebenso könnte der Rechtsanwalt keine Meldung zu einem Verstoß bearbeiten, wenn er das Unternehmen zuvor zu dieser Thematik rechtlich beraten hat. Da im Vorfeld nicht einzugrenzen ist, welche Art von Hinweisen bei der internen Meldestelle eingehen, ist sorgfältig zu prüfen, ob man sich für einen Dauermandanten als interne Meldestelle zur Verfügung stellt. Liegt infolge eines eingegangenen Hinweises eine Interessenkollision vor, müssten beide Tätigkeiten – sowohl die als Meldestelle als auch das anwaltliche Mandatsverhältnis – niedergelegt werden.

Die abseits von berufsrechtlichen Betrachtungen liegende Frage, ob der als Meldestelle beauftragte „Firmenanwalt“ als hinreichend unabhängig i. S. d. § 15 Abs. 1 HinSchG zu bewerten ist, ist bislang noch nicht geklärt.

4. Aufgaben und Pflichten der internen Meldestelle
Die interne Meldestelle ist u. a. verpflichtet,

  • gegenüber der hinweisgebenden Person den Eingang der Meldung zu bestätigen,
  • zu prüfen, ob die eingegangene Meldung in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fällt,
  • zu prüfen, ob die eingegangene Meldung stichhaltig ist, und gegebenenfalls weitere Informationen einzuholen,
  • Folgemaßnahmen zu ergreifen, z. B. eine interne Untersuchung oder die Weitergabe des Sachverhalts an eine zuständige interne Ermittlungseinheit (z. B. Compliance-Abteilung) oder Behörde (z. B. Polizei oder Staatsanwaltschaft), sowie
  • die hinweisgebende Person binnen drei Monaten über die ergriffenen Maßnahmen sowie die Gründe hierfür zu informieren.

5. Konsequenzen von Verstößen gegen das HinSchG
Verstöße gegen das HinSchG stellen Ordnungswidrigkeiten dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden. Hierzu gehören die Nichterrichtung der internen Meldestelle, Behinderung einer Meldung und die Offenlegung von unrichtigen Informationen. Die Höhe des Bußgeldes hängt vom jeweiligen Verstoß ab und beträgt bis zu EUR 50.000,– .

Den Gesetzestext zum HinSchG können Sie hier abrufen. Über für die Anwaltschaft relevante Entwicklungen zum HinSchG werden wir Sie auf unserer Internetseite regelmäßig informieren.

* Abdruck mit freundlicher Genehmigung der RAK München

 Bildnachweis: stock.adobe.com | Daniel Beckemeier
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