Neue Mitgliederstatistik: mehr Frauen, mehr Syndici, weniger niedergelassene Anwälte

Die von der BRAK herausgegebene Mitgliederstatistik zum 1.1.2025 zeigt erneut einen leichten Rückgang bei den niedergelassenen Anwältinnen und Anwälten, die Gesamtzahl über alle Zulassungsarten stieg jedoch leicht. Der Frauenanteil in der Anwaltschaft stiegt erneut auf nunmehr 37,33 %.

Die 28 Rechtsanwaltskammern verzeichneten zum Stichtag 1.1.2025 insgesamt 172.084 Mitglieder. Gegenüber dem Vorjahr (172.514) bedeutet dies insgesamt einen leichten Rückgang um 430 Mitglieder (-0,25 %). Der Rückgang ist im Wesentlichen auf 82,27 % weniger nichtanwaltliche Mitglieder von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von Berufsausübungsgesellschaften (BAG) nach § 60 II Nr. 3 BRAO zurückzuführen.

Zwar ist die Gesamtzahl der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in allen Zulassungsarten bundesweit um 0,44 % gestiegen (1.1.2025: 166.504; Vorjahr: 165.776). Dennoch ist die Anzahl der Rechtsanwälte in Einzelzulassung zum 1.1.2025 erneut deutlich zurückgegangen – diese machen mit 83,31 % den größten Anteil an den natürlichen Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern aus. Zum Stichtag waren es 138.715 und damit 874 weniger als im Vorjahr (139.589; -0,63 %). Die Entwicklung der Einzelzulassungen, die seit dem Jahr 2017 einen kontinuierlichen Abwärtstrend aufweisen, zeigt somit eine anhaltend negative Tendenz. Dennoch stieg ihr weiblicher Anteil um 0,07 % von 48.542 auf 48.575 Rechtsanwältinnen.

Ein Plus von 823 Mitgliedern (4,25 %) verzeichneten die doppelt Zugelassenen (1.1.2025: 20.204; Vorjahr: 19.381), davon 9.356 Frauen (Vorjahr: 8.907; +5,04 %). Am meisten legten die Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte mit 11,45 % zu: 7.585 Syndici waren zum 1.1.2025 zugelassen, 779 mehr als im Vorjahr (6.806). Der Trend zu dieser Zulassungsart hält damit an – ebenso die Beliebtheit bei Frauen: Der weibliche Anteil lag bei 60,42 % (Vorjahr 59,39 %). Zum Vergleich: Bei den doppelt Zugelassenen lag der weibliche Anteil bei 46,31 % (Vorjahr: 45,96 %), bei den einzeln Zugelassenen bei 35,02 % (Vorjahr: 34,77 %).

Insgesamt lag der Frauenanteil unter den bundesweit zur Anwaltschaft Zugelassenen (166.504) mit 62.514 Rechtsanwältinnen bei 37,33 % (Vorjahr. 37,09 %). Der

weibliche Mitgliederanteil in allen Zulassungsarten ist um 1,66 % gestiegen (Vorjahr: 1,52 %). Der Aufwärtstrend hält damit an.

Die Anzahl der Berufsausübungsgesellschaften erhöhte sich zum Stichtag um 8,44 % von 4.727 im Vorjahr zu 5.126 zugelassenen Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern. Den größten Anteil daran haben die 3.376 PartGmbB (Vorjahr: 3.177), gefolgt von den 1.525 GmbHs (Vorjahr: 1.404). Fast verdreifacht hat sich die Zahl der zugelassenen GmbH & Co. KG (1.1.2025: 61; Vorjahr: 22).

Der kontinuierliche Anstieg der in Deutschland niedergelassenen ausländischen Rechtsanwälte setzt sich fort: Zum 1.1.2025 waren es bundesweit insgesamt 1.380, dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr (1.288) einen Zuwachs um 7,14 %. Davon waren insgesamt 716 europäische Rechtsanwälte nach § 2 EuRAG (Vorjahr: 705) und insgesamt 664 ausländische Rechtsanwälte nach § 206 BRAO (Vorjahr: 583) niedergelassen.

Die Anzahl der Fachanwältinnen und Fachanwälte ist ebenfalls weiter gestiegen.

Zum Stichtag gab es 46.800 Fachanwälte (Vorjahr: 46.035; +1,66 %), davon 15.523 Fachanwältinnen (Vorjahr: 15.201; +2,12 %). Damit ist der Frauenanteil bei den Fachanwaltschaften erneut gestiegen und liegt bei 33,17 % (Vorjahr: 33,02 %). Gemessen an der Gesamtzahl der insgesamt zugelassenen Rechtsanwälte sind 28,11 % (Vorjahr: 27,77 %) auch Fachanwälte; von den insgesamt zugelassenen Rechtsanwältinnen sind 24,72 % (Vorjahr: 24,83 %) auch Fachanwältinnen.

Die Anzahl der erworbenen Fachanwaltstitel hat mit insgesamt 58.655 Titeln weiter zugenommen (Vorjahr: 58.474; +0,31 %), insbesondere unter den weiblichen Titelträgern (01.01.2025: 18.608; Vorjahr: 18.344; +1,44 %).

Diese Fachanwaltstitel verteilten sich zum Stichtag wie folgt: 35.404 Rechtsanwälte (davon 12.567 weiblich) erwarben einen Fachanwaltstitel, 10.046 (davon 2.717 weiblich) zwei Fachanwaltstitel und 1.350 (davon 239 weiblich) die höchstmöglichen drei Fachanwaltstitel.

Beliebteste Fachanwaltschaft ist nach wie vor die für Arbeitsrecht (11.314; Vorjahr: 11.163), gefolgt von Familienrecht (8.528; Vorjahr: 8.759) und Steuerrecht (4.641; Vorjahr: 4.695). Die höchsten Zuwächse verzeichneten die Fachanwaltschaften für Vergaberecht (+7,1 %), Migrationsrecht (+6,77 %) und Internationales Wirtschaftsrecht (+6,5 %). Die Fachanwaltschaften für Sozialrecht (-2,88 %), für Familienrecht (-2,64 %) und für Transport- und Speditionsrecht (-1,32 %) hatten die höchsten Rückgänge.

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Geldwäscheprävention – Muster- dokumentationsbögen und Verdachtsmeldepflichten

Muster für die Dokumentation von Sorgfaltspflichten und Änderung der Meldetatbestände der GwG-MeldV-Immobilien

I. Musterdokumentationsbögen 

Bei der Einhaltung der GwG-Pflichten stellen sich unter anderem die Fragen, ob eine Katalogtätigkeit vorliegt, die zur Verpflichteteneigenschaft des jeweiligen Rechtsanwalts führt, und welche Pflichten bei Eingehung des Mandats einzuhalten sind.

Zunächst ist festzustellen, ob eine Katalogtätigkeit vorliegt. Dazu wird auf die stetig aktualisierten und auf der Homepage der Rechtsanwaltskammer Hamm zur Verfügung gestellten Auslegungs- und Anwendungshinweise für die Umsetzung der Pflichten nach den gesetzlichen Bestimmungen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hingewiesen.

Steht die Verpflichteteneigenschaft einmal fest, sind z. B. der Mandant und der wirtschaftlich Berechtigte i. S. d.
§ 11 Abs. 1 GwG zu identifizieren. Auch dann, wenn Ihnen der Mandant persönlich (beruflich oder privat) bekannt ist. Dabei sollten Sie sich als potenzieller Verpflichteter klarmachen, dass jede neue Tätigkeit für Ihren Mandanten eine geldwäscherelevante Katalogtätigkeit sein kann und entsprechend überprüft werden muss. 

Zur ersten Orientierung und als Hilfe für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten stellt die Rechtsanwaltskammer Hamm auf ihrer Homepage Muster-Dokumentationsbögen zur Verfügung. Diese Muster-Dokumentationsbögen entbinden jedoch nicht von der eigenständigen Prüfung und Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GwG im Einzelfall. Deshalb besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Anhand des Dokumentationsbogens A können Sie dokumentieren, ob Sie eine Katalogtätigkeit vornehmen. Sollte dies der Fall sein, leitet Sie der Dokumentationsbogen zum nächsten für Ihre Tätigkeit relevanten Bogen weiter. Je nachdem, ob es sich bei der zu identifizierenden Person um eine natürliche, juristische Person oder eine Personengesellschaft handelt, helfen Ihnen Dokumentationsbögen B1, B2 oder C weiter. Zum Schluss folgt nach der Identifizierung des Mandanten die konkrete Risikobewertung im Einzelfall (Dokumentationsbogen D). Behalten Sie im Auge, dass der Dokumentationsbogen D die Risikobewertung im Einzelfall nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 GwG darstellt und Sie nicht von der abstrakten Risikoanalyse nach § 5 GwG befreit.

Wichtig zu wissen ist, dass das GwG selbst grundsätzlich beim Vorliegen einer Katalogtätigkeit von einem mittleren Risiko ausgeht (§ 10 GwG). Sollten Sie nach Ihrer Prüfung zu einer abweichenden Risikobewertung kommen, sieht das Gesetz entsprechende vereinfachte oder verstärkte Sorgfaltspflichten vor. Im Fall einer solchen Abweichung trifft Sie eine Begründungspflicht.

II. Änderung der Geldwäsche-Verdachtsmeldepflichten

Sollten Sie im Bereich der Katalogtätigkeit des § 2 Abs. 1 Nr. 10 a) aa) GwG tätig sein, wird auf die am 17.02.2025 eintretende Änderung der Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich, kurz GwGMeldV-Immobilien, durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hingewiesen. Zum einen sind zwei neue Meldetatbestände hinzugetreten und zum anderen sind Meldetatbestände aufgrund der durch das BMF durchgeführten Evaluierung und der gesetzlichen Änderungen des GwG angepasst bzw. geändert worden.

Die Änderungen in §§ 4 bis 7 GwGMeldV-Immobilien betreffen z. B. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, wonach der Zusammenhang zwischen Tat und Erwerbstatbestand nicht ausgeschlossen werden kann, oder § 6 Abs. 1 Nr. 1 a) bis c), wonach das Zahlungsverbot bestimmter Zahlungsmittel aus § 16a GwG umgesetzt wurde.  § 6 Abs. 1 hat unter Nr. 2 eine weitere Änderung in der Form einer Konkretisierung erfahren. So findet sich nunmehr der Schwellenwert von 25 % Abweichung vom tatsächlichen Verkehrswert nicht mehr als Richtwert in der Verordnungsbegründung, sondern unmittelbar im Verordnungstext. In § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 4 sind die meldepflichtigen Schwellenwerte von 10.000 € auf 20.000 € angehoben worden.

Künstliche Intelligenz in Anwaltskanzleien: BRAK veröffentlicht Leitfaden

Für Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz gibt es auch in Anwaltskanzleien vielfältige Einsatzmöglichkeiten. KI-Tools gibt es beispielsweise für Datenanalyse, Dokumentenmanagement, Recherchen oder Übersetzungen; inzwischen existieren auch einige spezifisch juristisch trainierte KI-Tools. Aufgrund ihrer Funktionsweise bergen diese Tools jedoch eine Reihe von Risiken. Unter anderem können sie falsche Informationen (sog. Halluzinationen) oder aufgrund von lückenhaftem oder einseitigem Trainingsmaterial verzerrte Ergebnisse generieren. Dies kann ohne hinreichende anwaltliche Kontrolle zu haftungsrechtlichen Problemen führen.

Die Nutzung von KI-Tools in der Kanzlei birgt darüber hinaus auch berufsrechtliche Risiken. Wie Anwältinnen und Anwälte KI berufsrechtskonform einsetzen können, thematisiert der gerade erschienene Leitfaden „Hinweise zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI)“ der BRAK. Erarbeitet wurde er von Dr. Frank Remmertz, Vorsitzender des BRAK-Ausschusses RDG und Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer München.

Der Leitfaden gibt eine Orientierungshilfe für Anwältinnen und Anwälte u a. zu Prüfungs- und Kontrollpflichten, zur Wahrung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht und zu Transparenzpflichten in Bezug auf den KI-Einsatz. Zudem erläutert der Leitfaden die wichtigsten Anforderungen und Pflichten nach der KI-Verordnung und ihr Verhältnis zum Berufsrecht. Ferner enthält er Hinweise auf weitere Risiken sowie auf Leitfäden europäischer Anwaltsorganisationen sowie der Datenschutzkonferenz.

Der Leitfaden hat empfehlenden Charakter und soll eine Orientierungshilfe geben. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt nicht die eigenverantwortliche Prüfung durch Anwältinnen und Anwälte, ob der KI-Einsatz im Einzelfall zulässig ist.

Das 47er Modell – gemeinsame Handlungsfähigkeit im Katastrophenfall

Rechtsanwalt Stephan Störmer aus Steinfurt

„Das Feuer an einem Kabelschacht der Deutschen Bahn am Mittwochmorgen in Berlin-Schöneweide verursachte erhebliche Störungen im Regional- und Fernverkehr. (…) Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamts übernahm die Ermittlungen.“ (FAZ online vom 13.02.2025)

„Nur wenige Stunden vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris verüben Unbekannte mehrere Brandschläge auf das Schnellzugnetz in Frankreich.“ (Tagesschau.de vom 26.07.2024)

Diese oder ähnliche Meldungen häufen sich in den letzten Monaten. In den genannten Fällen konnten Ursachen und Folgen verhältnismäßig schnell erkannt und beseitigt werden.

Was passiert jedoch, wenn es durch eine Naturkatastrophe oder einen Anschlag zu einem landesweiten Stromausfall kommt, der nicht innerhalb von Stunden oder sogar Tagen behoben werden kann, also Mobilfunkmasten nicht mehr mit Strom versorgt werden können und die gewohnten Kommunikationswege nicht mehr zur Verfügung stehen?

Vor dieser Frage standen auch das Ministerium der Justiz und das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen. Konkret ging es darum, wie Justizbetrieb, Kriminalitätsbekämpfung und Gefahrenabwehr in derartigen Fällen so lange wie möglich aufrechterhalten werden können.

Gemeinsam wurde deshalb das sogenannte „47er Modell“ erarbeitet. Dieses regelt die Zusammenarbeit der 47 Polizeipräsidien und Kreispolizeibehörden mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen. Festgelegt wurden die Arbeitsabläufe sowie Kommunikationswege der beteiligten Behörden in Krisenfällen.

Das Modell sieht zusammengefasst vor, dass in definierten Ernstfällen Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte die örtlichen Polizeibehörden aufsuchen können, um in präventiv krisenfesten Räumen die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Ein Hauptanwendungsfall wird sicherlich die Vorführung einer vorläufig festgenommenen Person bis zum Ablauf des auf die Festnahme folgenden Tages sein.

Im späten Frühjahr des letzten Jahres fand ein erster Test unter realen Bedingungen in den Räumen des Polizeipräsidiums Münster statt.

Der Übung lag der Fall zugrunde, dass während eines landesweiten Stromausfalls eine Person wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes in Tateineinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorläufig festgenommen wurde.

Nach Ausrufung des Krisenfalls durch den Präsidenten des Landgerichts wurden die Beteiligten über Satellitentelefon bzw. BOS-Funk (ein nicht öffentlicher mobiler UKW-Landfunkdienst)  alarmiert und über die Notfalllage in Kenntnis gesetzt.

Dadurch bedingt erfolgte die Aktivierung eines Notgeschäftsverteilungsplans bei den einzelnen Behörden. Zugleich wurde Schlüsselpersonal des Amtsgerichts sowie der Staatsanwaltschaft Münster durch die jeweilige Behördenleitung in Bereitschaft versetzt.

Entsprechend dem vorgesehenen Notfallplan begab sich ein Staatsanwalt mit für den Krisenfall vorgehaltenen Materialien per Fahrrad zum Polizeipräsidium Münster und bezog einen dort für ihn vorgesehenen (Ausweich-)Arbeitsraum.

Nach Durchsicht der von der Polizei zusammengestellten Akte verfasste der Staatsanwalt einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls.

Daraufhin benachrichtigte die Polizei über BOS-Funk das Amtsgericht Münster.

Der nach dem Notgeschäftsverteilungsplan zuständige Richter begab sich daraufhin, ebenfalls per Fahrrad, mit einer Servicekraft zum Polizeipräsidium am Friesenring.

Staatsanwaltschaft und Amtsgericht sind für derartige Fälle mit Laptops und Powerbanks in entsprechenden Notfallkoffern ausgestattet, die auch Stempel und Stempelkissen beinhalten. Drucker werden von der Polizei gestellt und über Notstromaggregate versorgt.

Der Beschuldigte, szenisch dargestellt durch einen Mitarbeiter des Ministeriums der Justiz, wurde sodann dem Haftrichter vorgeführt und es wurde schlussendlich Haftbefehl erlassen.

Die Benachrichtigung der JVA Münster erfolgte ebenfalls über BOS-Funk.

Nach Auswertung diverser Evaluationen konnte zusammengefasst ein positives Feedback aufseiten von Justiz- und Innenressort gezogen werden.

Wie sieht aber nun die Beteiligung der Anwaltschaft aus?

Immerhin sehen die gesetzlichen Regelungen in einem solchen Szenario zwingend die Anwesenheit einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts vor, da ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Absatz 1 Nr. 4 StPO gegeben ist.

Da die Notwendigkeit der Beteiligung der Anwaltschaft den Ministerien frühzeitig bewusst war, hat der Verfasser als Verteidiger an der hier besprochenen Übung teilgenommen.

Um das Testszenario zunächst nicht zu überfrachten, war im Ablaufplan vorgesehen, dass ich mich bereits – wenn man so will, aus zufälligen Gründen – im Polizeipräsidium befand.

Genau dieser doch praktisch eher unwahrscheinliche Umstand zeigt jedoch, dass auch die Anwaltschaft auf derartige Krisenfälle vorbereitet sein muss. Insoweit wird nun ein Notfallplan erarbeitet, um sodann handlungsfähig zu sein und ureigenste anwaltliche Aufgaben wahrnehmen zu können.

Denkbar ist insofern beispielsweise eine Einbeziehung der bei den örtlichen Anwaltvereinen angesiedelten Strafverteidiger-Notdienste.

Laufende Abstimmungen hierzu werden unter Koordination der Rechtsanwaltskammer stattfinden.

Rechtsanwalt Stephan Störmer aus Steinfurt

STAR 2023: Daten zur wirtschaftlichen Lage der Anwälte der Rechtsanwaltskammer Hamm

erschienen im KammerReport 5-2024 | 13.12.2024

Das Institut für Freie Berufe (IFB) legt Ergebnisse insbesondere zur Einkommenssituation der Anwaltschaft des Kammerbezirks Hamm für das Wirtschaftsjahr 2022 vor. Basis der präsentierten Daten bildet die Stichprobenerhebung 2023 für das Statistische Berichtssystem für Rechtsanwälte (STAR).

Aufbau und Organisation der STAR-Untersuchung

 Hintergrund von STAR
Das Statistische Berichtssystem für Rechtsanwälte (STAR) wurde vom Institut für Freie Berufe (IFB) im Auftrag der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) 1993 ins Leben gerufen. Ziel des Projekts war und ist, die wirtschaftliche Lage der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu ergründen und neue Entwicklungen in der Advokatur zu erkennen.

Die aktuelle Online-Befragung war im Zeitraum von Anfang Mai bis Ende Juli des Jahres 2023 zugänglich (Erhebungszeitraum). Eingeladen wurden die Berufsträger dazu über die jeweiligen regionalen Rechtsanwaltskammern.

An der aktuellen Erhebung beteiligten sich die Kammern Bamberg, Berlin, Brandenburg, Braunschweig, Celle, Düsseldorf, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Hamm, Karlsruhe, Kassel, Koblenz, Köln, Mecklenburg-Vorpommern, München, Nürnberg, Oldenburg, des Saarlandes, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Stuttgart, Thüringen, Tübingen und Zweibrücken 1. Für die Auswertung konnten insgesamt 3.374 auswertbare Fragebögen berücksichtigt werden.

Ergebnisse für die RAK Hamm für das Wirtschaftsjahr 2022
Für den Kammerbezirk Hamm konnten insgesamt 46 auswertbare Fragebögen berücksichtigt werden, für die anderen West-Kammern 2.718.

Die folgenden Grafiken liefern vornehmlich eine Darstellung der ökonomischen Situation der Rechtsanwälte im Kammerbezirk Hamm auf Basis der erhobenen Zahlen für das Wirtschaftsjahr 2022 2. Dabei werden die Daten der Rechtsanwaltskammer Hamm den entsprechenden Daten der anderen westdeutschen Kammern (ohne Hamm) gegenübergestellt 3. Die wirtschaftlichen Auswertungen beziehen sich hierbei auf so genannte Vollzeit-Rechtsanwälte. Dabei handelt es sich um Berufsträger, die mindestens 40 Stunden pro Woche arbeiten und ihre Tätigkeit ausschließlich ohne Nebentätigkeit ausüben 4. Zudem wird zwischen Einzelkanzleien und Sozietäten unterschieden, da sich zwischen diesen beiden Kanzleiformen oftmals größere Unterschiede erkennen lassen.

In Hinblick auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtheit der Kammermitglieder muss darauf hingewiesen werden, dass eine insgesamt repräsentative Erhebung nicht zwingend für alle Teilgruppen Allgemeingültigkeit beanspruchen kann. Durch die Beschränkung der wirtschaftlichen Auswertungen auf Vollzeit-Rechtsanwälte und die Differenzierung nach Kanzleiform liegt die Fallzahl bei den für die Kammer Hamm nachfolgend präsentierten Ergebnissen in den Gruppen (Einzelkanzleien und Sozietäten) jeweils unter n=10; damit ist die Aussagekraft der Ergebnisse stark eingeschränkt. Aufgrund dieser geringen Fallzahlen sollten die wirtschaftlichen Angaben für die Kammer Hamm daher stets eher bzw. allenfalls als Tendenzen verstanden werden.

Personenbezogene Honorarumsätze 2022
Der durchschnittliche persönliche Honorarumsatz selbstständig in eigener Kanzlei tätiger Vollzeit-Rechtsanwälte belief sich 2022 im Kammerbezirk Hamm in Einzelkanzleien auf 186.000 Euro. Damit lag der durchschnittliche Umsatz von Einzelanwälten in Hamm um 22.000 Euro bzw. rund 11 Prozent 5 unter dem entsprechenden Durchschnittsumsatz ihrer Kollegen aus den anderen West-Kammern, die an STAR 2023 teilgenommen haben und 2022 im Mittel auf rund 208.000 Euro kamen. In Sozietäten in Hamm hingegen war der durchschnittliche persönliche Umsatz mit 411.000 Euro um 80.000 Euro bzw. knapp 22 Prozent höher als in den Sozietäten der westdeutschen Vergleichskammern (331.000 Euro; vgl. Abb. 2).

Personenbezogene Gewinne6 2022
Auch der durchschnittliche persönliche Jahresüberschuss selbstständig in eigener Kanzlei tätiger Vollzeit-Rechtsanwälte war 2022 in Einzelkanzleien der Kammer Hamm mit 91.000 Euro niedriger als in den Einzelkanzleien der anderen westdeutschen Kammern, in denen die Vollzeit-Rechtsanwälte im Mittel einen persönlichen Gewinn von 102.000 Euro erwirtschafteten. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen beläuft sich hier auf 11.000 Euro bzw. wiederum 11 Prozent (vgl. Abb. 2).

In Sozietäten im Kammerbezirk Hamm lag der mittlere persönliche Überschuss im Jahr 2022 mit 196.000 Euro ebenfalls – wie schon der persönliche Jahresumsatz – über dem Niveau der westdeutschen Vergleichsgruppe, die 2022 im Mittel einen persönlichen Jahresgewinn von 168.000 Euro generierte. Damit ergab sich eine Differenz in Höhe von 28.000 Euro bzw. 15 Prozent (vgl. Abb. 2).

Bei der Betrachtung des persönlichen Stundeneinkommens 7 selbstständiger Vollzeit-Anwälte zeigt sich ein ähnliches Bild. Rechtsanwälte in Einzelkanzleien der Kammer Hamm kamen im Jahr 2022 auf ein durchschnittliches Stundeneinkommen von 37 Euro, während die Einzelanwälte der anderen West-Kammern bei durchschnittlich 47 Euro pro Stunde lagen. Die Partner in Sozietäten aus Hamm erwirtschafteten 2022 pro Arbeitsstunde 81 Euro; ihre Kollegen in der Vergleichsgruppe arbeiteten im Mittel für einen Stundensatz von 76 Euro. Damit lagen die durchschnittlichen Stundensätze in Einzelkanzleien in der Kammer Hamm um 10 Euro bzw. 24 Prozent unter denen in den anderen westdeutschen Kammerbezirken, während die mittleren persönlichen Stundeneinkommen in Sozietäten in Hamm um 5 Euro bzw. etwa 6 Prozent höher als in den Sozietäten der anderen West-Kammern waren (vgl. Abb. 3).

Kosten- und Gewinnanteile am Kanzleiumsatz 2022
Mit insgesamt 41 Prozent fiel 2022 der durchschnittliche Gesamtkostenanteil 8 am Umsatz in Einzelkanzleien im Kammerbezirk Hamm etwas niedriger aus als in den Einzelkanzleien der anderen West-Kammern, die im Mittel einen Kostenanteil von 44 Prozent verzeichneten. Dabei entfielen in den Einzelkanzleien der Kammer Hamm lediglich 13 Prozent der Personalkosten auf den Umsatz, während in den anderen westdeutschen Einzelkanzleien der Personalkostenanteil 23 Prozent betrug. Dagegen machten die Sachkosten in den Einzelkanzleien in Hamm 23 Prozent des Umsatzes aus, in der westdeutschen Vergleichsgruppe waren es 14 Prozent (vgl. Abb. 4).

Die Sozietäten in Hamm wirtschafteten im Jahr 2022 geringfügig kostengünstiger wie die Sozietäten der Vergleichsgruppe. Mit einem durchschnittlichen Gesamtkostenanteil am Umsatz von 52 Prozent liegen die Sozietäten der Kammer Hamm leicht unter den Sozietäten aus den anderen West-Kammern, die hier auf 53 Prozent kommen. In beiden betrachteten Gruppen stellen die Personalkosten jeweils den höchsten Kostenfaktor. Bei den Sozietäten in der Kammer Hamm wurden 2022 im Schnitt 29 Prozent des Umsatzes darauf aufgewendet, in den anderen westdeutschen Sozietäten 33 Prozent. Dahinter folgen die Sachkosten, die 2022 in den Sozietäten in Hamm einen mittleren Anteil von 17 Prozent und in den Sozietäten der anderen West-Kammern einen Anteil 13 Prozent am Umsatz hatten (vgl. Abb. 5).

An dritter Stelle finden sich sowohl bei den Einzelkanzleien als auch bei den Sozietäten schließlich die Raumkosten, für die 2022 durchschnittlich 5 bis 7 Prozent aufgewendet wurden (vgl. Abb. 4 und 5).

Aufgrund dieser Kostenanteile ergab sich für Einzelkanzleien der Kammer Hamm mit durchschnittlich 59 Prozent ein um 3 Prozentpunkte höherer Gewinnanteil als in den Einzelkanzleien der anderen westdeutschen Kammern, die diesbezüglich im Mittel bei 56 Prozent rangierten. Die Sozietäten im Kammerbezirk Hamm lagen mit einem Gewinnanteil von 48 Prozent geringfügig, um einen Prozentpunkt, über dem der anderen westdeutschen Sozietäten, die hier auf 47 Prozent kamen (vgl. Abb. 4 und 5).

Jahreseinkommen 2022 von angestellten Rechtsanwälten9
Für Rechtsanwälte, die in Vollzeitarbeit in einer Anwaltskanzlei angestellt sind, wird in Abbildung 6 das durchschnittliche Jahresbruttogehalt unter Einbezug eines etwaigen 13./14. Gehalts und sonstiger freiwilliger betrieblicher Leistungen bzw. geldwerter Vorteile ausgewiesen. Hier kann für den Kammerbezirk Hamm im Jahr 2022 aufgrund einer zu geringen Fallzahl kein durchschnittliches Jahreseinkommen ausgewiesen werden. In den anderen West-Kammern erreichte das durchschnittliche Einkommen angestellter Vollzeit-Rechtsanwälte 94.000 Euro.

Jahreseinkommen 2022 von Syndikusrechtsanwälten
Für Syndikusrechtsanwälte, die in Vollzeitarbeit tätig sind, wird ebenfalls in Abbildung 6 das durchschnittliche Jahresbruttogehalt unter Einbezug freiwilliger betrieblicher Leistungen bzw. geldwerter Vorteile präsentiert. Danach lag das Jahreseinkommen von Vollzeit-Syndici in den anderen westdeutschen Kammern im Jahr 2022 im Mittel bei 130.000 Euro. Auch für die Syndici in der Kammer Hamm können wegen fehlender Angaben keine Ergebnisse zum durchschnittlichen Jahreshonorar präsentiert werden.

1 Hinzu kommen Berufsträger, die im Rahmen der vorherigen STAR-Erhebung angaben, wieder an der Befragung teilnehmen zu wollen und aufgrund dessen Adressdaten hinterlegten. Diese wurden direkt durch das IFB angeschrieben und über die erneute Befragung informiert.

2 Neben dem arithmetischen Mittel wird in einigen Grafiken auch der Median ausgewiesen. Das ist der Wert, den 50 Prozent der Befragten über- und die andere Hälfte unterschreiten. Der Median ist ein statistisches Lagemaß, das bei der Bildung von Durchschnittswerten eingesetzt wird, um die Effekte großer Streuungen und extremer Datenwerte zu glätten. Der Median bietet daher gerade bei Wirtschaftsdaten eine gute Interpretationsgrundlage. Der Wert des Medians kann über dem des arithmetischen Mittels liegen.

3 Bei der Beurteilung der präsentierten wirtschaftlichen Kennwerte für die Rechtsanwälte in der Kammer Hamm sowie in der Vergleichsgruppe der anderen West-Kammern sollte immer bedacht werden, dass in diesen Gruppen auch Anwaltsnotare enthalten sind und diese in der Regel ein höheres Jahreseinkommen erzielen als ausschließlich als Rechtsanwalt Tätige.

4 D. h. selbständige Rechtsanwälte in eigener Kanzlei sind ausschließlich selbständig, angestellte Rechtsanwälte sind nur als Angestellte tätig usw.

5 Hierbei handelt es sich stets um die prozentuale Differenz, also den Unterschied zwischen zwei (positiven) Zahlen ausgedrückt in Prozent. Dazu wird der absolute Wert der Differenz zwischen diesen beiden Zahlen durch den Durchschnitt (-swert der zwei Zahlen) dividiert und mit 100 multipliziert. Zu beachten ist dabei, den absoluten Wert der Differenz zu verwenden, d. h. das negative Vorzeichen vor der ausgerechneten Zahl wegzulassen, wenn es eines geben sollte.

6 Die Begriffe Gewinn, Bruttoeinkommen, Überschuss vor Steuern werden hier synonym verwendet. Der persönliche Gewinn in Einzelkanzleien wird mit dem Kanzleiüberschuss (= Kanzleiumsatz minus Kanzleikosten) gleichgesetzt, in Sozietäten entspricht er meist einem wohldefinierten Anteil des Kanzleiüberschusses.

7 Das Stundeneinkommen ist eine rein rechnerische Größe: Dabei wird der persönliche Jahresüberschuss durch die Jahresarbeitszeit dividiert. Die Jahresarbeitszeit ergibt sich wiederum aus der wöchentlichen Arbeitszeit, die mit der Anzahl der Wochen eines Jahres (also 52) multipliziert wird abzüglich der Urlaubszeit.

8 Die Gesamtkosten setzen sich zusammen aus Personal-, Raum- sowie Sach- und sonstigen Kosten.

9 Ergebnisse für in Vollzeit als freie Mitarbeiter tätige Rechtsanwälte können hier nicht vorgestellt werden, da ihre Anzahl in der aktuellen STAR-Umfrage insgesamt zu gering ist.

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Rechtsanwälte waren auch Täter!

erschienen im KammerReport 5-2024 | 13.12.2024

BRAK präsentiert Untersuchung zur Reichs-Rechtsanwaltskammer

An die Opfer des NS-Regimes in der Zeit von 1933 bis 1945, zu denen 25 % der Anwaltschaft zählten, erinnert die BRAK seit vielen Jahren mit der Wanderausstellung „Anwalt ohne Recht“. Was bislang fehlte, war die Aufarbeitung der Frage, welche Rolle die Reichs-Rechtsanwaltskammer und die dort Verantwortlichen hierbei genau spielten.

Diese Lücke schloss der Freiburger Rechtshistoriker Prof. Dr. Frank L. Schäfer mit dem Werk „Rechtsanwälte als Täter – Die Geschichte der Reichs-Rechtsanwaltskammer“.

In der von der BRAK in Auftrag gegebenen Studie widmet sich Schäfer der angesichts recht schwierigen Quellenlage diffizilen Aufgabe, die Rolle der Anwaltschaft auch auf Täterseite ans Licht zu bringen. Schäfer untersucht die Vorgeschichte der Reichs-Rechtsanwaltskammer (RRAK) von den Plänen in den späten Weimarer Jahren bis zur Rechtsnachfolge durch die Bundesrechtsanwaltskammer. Er bündelt dabei die bislang weit verstreuten Forschungsergebnisse und ergänzt diese durch neue Erkenntnisse, um ein Gesamtbild dieser Institution zu zeichnen.

BRAK-Präsident Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels betont im Vorwort des Buches, wie wichtig die intensive Auseinandersetzung mit unserer Geschichte im Interesse unserer Zukunft ist:

„Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen ist ein kritischer Blick auf die unrühmliche Rolle der Anwaltschaft in der Zeit des Nationalsozialismus unumgänglich. Es war ein gesamtgesellschaftliches Versagen, das Terror, Vertreibung und Mord durch eine Partei zuließ und in den Holocaust mündete. Anwälte und Anwältinnen waren nicht nur unter den Opfern des NS-Regimes – sie waren auch Täter.

Das Versagen der Selbstverwaltung und ihr Mitwirken an einer Terror-Diktatur soll uns eine Mahnung sein: In einer gelebten Demokratie gilt es, den gegenseitigen Respekt zu wahren, den Rechtsstaat zu bewahren und allen Bestrebungen, die sich gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung richten, besonnen, aber klar entgegenzuwirken. Das sind wir Anwältinnen und Anwälte als Organe dieses Rechtsstaats persönlich und in unserer Verantwortung als Selbstverwaltung schuldig!“

Das Werk wurde am 07.11.2024 in Hannover im Rahmen einer Veranstaltung der interessierten Fachöffentlichkeit präsentiert. Sie komplementierte die von der BRAK und dem Institut für Prozess- und Anwaltsrecht der Universität Hannover gemeinsam veranstaltete Konferenz „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“, die sich am Folgetag unter dem Titel „Wie resilient ist die Anwaltschaft“ mit den aktuellen Herausforderungen für den Rechtsstaat und die anwaltliche Selbstverwaltung und mit Bedrohungslagen für Anwältinnen und Anwälte angesichts erstarkender antidemokratischer Kräfte befasste.

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Berufsrecht: Aufsichtsverfahren sollen umfassend neu geregelt werden

Rechtsformwahl

erschienen im KammerReport 5-2024 | 13.12.2024

Das Bundesministerium der Justiz möchte die Berufsaufsicht der rechtsberatenden Berufe neu ordnen. Der Ende Oktober vorgelegte Referentenentwurf war lange erwartet worden, weil er eine Reihe praktischer Probleme adressiert, die nach dem geltenden Recht unter anderem im Bereich der Rechtsbehelfe gegen die verschiedenen Sanktionsinstrumente in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), der Patentanwaltsordnung (PAO) und dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) bestehen.

Dazu zählen insbesondere die in der Rechtsprechung anerkannte, aber gesetzlich nicht geregelte sog. missbilligende Belehrung und deren gerichtliche Überprüfbarkeit. Die missbilligende Belehrung soll durch den „rechtlichen Hinweis“ ersetzt werden. Für Rechtsbehelfe gegen rechtliche Hinweise, Rügen und Zwangsgelder soll einheitlich das Anwaltsgericht zuständig und die Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden sein. Neu geregelt werden soll das Vorgehen der Kammern gegen eigene Mitglieder nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Neu gefasst und vereinfacht werden soll außerdem die Verwahrung von über 100 Jahre alten notariellen Urkunden und Verzeichnissen sowie zur Einsichtnahme in diese. Damit sollen bestehenden praktische Schwierigkeiten beseitigt werden. Im Ergebnis streben die Beteiligten dabei eine Zuständigkeit der Landesarchive für die Verwahrung der Dokumente an.

Der Referentenentwurf sieht u. a. folgende weitere Anpassungen im Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe vor:

  • Die Regelungen in BRAO, PAO und StBerG zum Erlöschen der Zulassung einer Berufsausübungsgesellschaft sollen dahingehend angepasst werden, dass die Zulassung (und damit die Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen) nicht mehr durch die Auflösung der Gesellschaft erlischt, sondern erst mit deren Beendigung. Denn in der Zeit nach der Auflösung, aber vor der Beendigung muss die Gesellschaft im Rahmen der Abwicklung von Mandaten noch rechtsberatende Tätigkeiten vornehmen können.
  • Für eine Berufsausübungsgesellschaft, die in Deutschland tätig werden will, sollen neben den bisher schon zulässigen Rechtsformen nach deutschem, EU- und EWR-Recht künftig auch schweizerische Rechtsformen zulässig sein. Einzelanwältinnen und -anwälte aus der Schweiz stehen ihren Kolleginnen und Kollegen aus EU und EWR bereits gleich.
  • Bislang ist in BRAO, PAO und Bundesnotarordnung (BNotO) nicht geregelt, wie im Falle ungültiger Wahlen zu verfahren ist. Um die daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, sollen an das Bundeswahlgesetz angelehnte Vorschriften zu Wahlwiederholungen aufgenommen werden.
  • Notarinnen und Notare sehen sich u. a. im Bereich Digitalisierung und Geldwäsche immer höheren Anforderungen ausgesetzt. Dabei können ihnen in Regionen, in denen Notarkassen tätig sind, Verwaltungsaufgaben von diesen abgenommen werden. Durch eine Aufgabenerweiterung soll diese Möglichkeit (fakultativ) künftig auch für Notarkammern bestehen.

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Änderungen im Berufsrecht: Gesetz zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen in der BNotO, der BRAO, der PAO und dem StBerG sowie zur Änderung weiterer Vorschriften

erschienen im KammerReport 5-2024 | 13.12.2024

Das Gesetz vom 22.10.2024 ist am 25.10.2024 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und im Grundsatz nach seinem Artikel 13 Abs. 1 am Tag nach der Verkündung, also am 26.10.2024, in Kraft getreten. Einige Vorschriften treten jedoch abweichend davon erst zum 01.01.2025 bzw. zum 01.05.2025 in Kraft.

Im Regierungsentwurf war noch eine Regelung in einem § 73a BRAO-E enthalten, mit dem eine anlasslose und risikobasierte Überprüfung anwaltlicher Sammelanderkonten durch die Rechtsanwaltskammern eingeführt werden sollte. Nach heftiger Kritik der Bundesrechtsanwaltskammer hatte sich jedoch der Rechtsausschuss des Bundestages für eine Herausnahme der Regelung ausgesprochen. Das verabschiedete Gesetz sieht daher keine Regelung zur anlasslosen Überprüfung von Sammelanderkonten durch die Rechtsanwaltskammern mehr vor.

Das Gesetz enthält unter anderem folgende Änderungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung:

1. Neu eingefügt wurde § 86a BRAO – Durchführung der Kammerversammlung
Danach findet die Kammerversammlung grundsätzlich weiterhin in Präsenz aller Beteiligten am Ort der Versammlung statt, jedoch können die Geschäftsordnungen der Kammern vorsehen, dass die Kammerversammlungen auch als hybride oder ausschließlich als virtuelle Versammlungen stattfinden können. Sieht die Geschäftsordnung einer Kammer hybride oder virtuelle Kammerversammlungen vor, so dürfen diese nur abgehalten werden, wenn folgende Bedingungen eingehalten werden:

  1. In der Einberufung muss angegeben werden, wie sich die Mitglieder online zur Versammlung zuschalten können,
  2. die gesamte Versammlung muss in Bild und Ton übertragen werden,
  3. die online teilnehmenden Mitglieder müssen ihr Stimmrecht entweder während der Versammlung elektronisch oder im Anschluss an die Versammlung durch schriftliche Stimmabgabe ausüben können und
  4. die Rechte der Mitglieder nach diesem und nach der Geschäftsordnung der Kammer müssen gewahrt werden.

Eine entsprechende Regelung wurde auch für die Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer eingeführt in § 189 Abs. 5 BRAO. Des Weiteren wurde auch eine entsprechende Regelung für die Satzungsversammlung geschaffen in § 191c BRAO.

2. Änderung § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO – Pflichtmitgliedschaft nichtanwaltlicher Mitglieder
Steuerberater und Patentanwälte, die Mitglieder von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften sind, sind ab dem 01.01.2025 nicht mehr Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer. Anders verhält es sich bei Wirtschaftsprüfern. Bei ihnen verbleibt es unter den vorgenannten Voraussetzungen bei der Pflichtmitgliedschaft.

3. Änderung § 56 Abs. 3 BRAO – Mitteilungspflichten
Ab dem 01.01.2025 sind Rechtsanwälte verpflichtet, der Rechtsanwaltskammer unverzüglich anzuzeigen, wenn sie Mitglied eines Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans einer Berufsausübungsgesellschaft nach der Patentanwaltsordnung oder dem Steuerberatergesetz sind.

4. § 73 Abs. 2 Satz 2 neu BRAO – Aufsicht über Tätigkeit in berufsfremden BAGs
Ab dem 01.01.2025 unterliegt der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer auch die Tätigkeit der Mitglieder, soweit sie ihre Tätigkeit in einer patentanwaltlichen oder steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaft als Leitungsorgan ausüben. Zudem sind die Rechtsanwaltskammern verpflichtet, die Mitglieder auch zu diesen anwaltsfremden Berufspflichten zu beraten.

5. Änderung § 72 Abs. 4 BRAO – Sitzungen/Zusammenkünfte des Vorstands
In § 72 Abs. 4 BRAO wurde klargestellt, dass auch in virtuellen Sitzungen Beschlüsse gefasst werden können und sich keine gesonderte schriftliche Abstimmung anschließen muss. Dies gilt auch für alle Untergliederungen des Vorstandes, somit auch für alle Abteilungen des Vorstandes.

6. § 59i Abs. 1 Satz 1 BRAO – Mehrstöckige Berufsausübungsgesellschaften
In § 59i Abs. 1 Satz 1 BRAO wurde klargestellt, dass an einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft nur eine andere anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft, und keine berufsfremde Berufsausübungsgesellschaft beteiligt sein darf.

7. § 59f BRAO-neu – Regelungen zur Mandatsgesellschaft
§ 59f BRAO Abs. 1 Satz 2 BRAO definiert die Mandatsgesellschaft. Dies sind Berufsausübungsgesellschaften, die als Personengesellschaften für die Bearbeitung eines einzelnen Mandats gegründet wurden. § 59 f Abs. 1 BRAO sieht vor, dass die Gründung einer Mandatsgesellschaft der Rechtsanwaltskammer anzuzeigen ist. Eine Mandatsgesellschaft bedarf keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch die Rechtsanwaltskammer. Jedoch unterliegen auch Mandatsgesellschaften der Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. In § 59o Abs. 4 S. 3 BRAO wurde neu geregelt, dass für die Berechnung der Mindestversicherungssumme immer die Zahl der Gesellschafter der Mandatsgesellschaft maßgeblich ist.

8. § 113 Abs. 1 BRAO – Ahndung einer Pflichtverletzung
Auch die Zuständigkeit der Anwaltsgerichte erstreckt sich ab 01.01.2025 auf die Berufspflichten nach der Patentanwaltsordnung und dem Steuerberatungsgesetz, wenn Mitglieder der Rechtsanwaltskammer dem Leitungsorgan einer patentanwaltlichen oder steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaft angehören.

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Steuerrecht: „beA-Verbot“ gegenüber Finanzverwaltung kommt nun doch

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erschienen im KammerReport 5-2024 | 13.12.2024

Die elektronische Kommunikation mit Finanzbehörden könnte künftig für Anwaltschaft und Steuerberaterschaft eingeschränkt werden. Ein im Frühsommer veröffentlichter Entwurf für das Jahressteuergesetz 2024 sah vor, dass die rechts- und steuerberatenden Berufe nur noch über das System ELSTER bzw. die Schnittstelle ERiC mit der Finanzverwaltung kommunizieren dürfen. Die besonderen elektronischen Anwalts- und Steuerberaterpostfächer (beA bzw. beSt), deren Nutzung in gerichtlichen Verfahren verpflichtend ist, sollten ausgeschlossen werden. Als Begründung führte der Referentenentwurf u. a. an, die Kommunikationsangebote der Finanzbehörden trügen den Besonderheiten des steuerlichen Massenverfahrens am besten Rechnung, andere elektronische Kommunikation, insbesondere über das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo; das Gegenstück zu beA und beSt), führe zu erhöhtem Verwaltungsaufwand; außerdem könnten in den Finanzbehörden nur wenige Mitarbeitende dieses Verfahren nutzen.

Nach massiven Protesten aus Anwaltschaft und Steuerberaterschaft war die betreffende Regelung in § 87a Abgabenordnung (AO) in dem später vorgelegten Regierungsentwurf nicht mehr enthalten. Die BRAK hatte u. a. kritisiert, dass der Ausschluss der Kommunikation über die besonderen elektronischen Postfächer der Idee eines einheitlichen elektronischen Rechtsverkehrs widerspricht und dass Anwaltschaft und Steuerberaterschaft durch die einseitige Einschränkung der elektronischen Kommunikation benachteiligt würden.

Der Bundesrat folgte jedoch in seiner Stellungnahme vom 27.09.2024 der Empfehlung seines Finanzausschusses, in der die umstrittene Regelung in § 87a AO – ohne weitergehende Begründung – wieder enthalten war. Diese Fassung übernahm Mitte Oktober auch der Finanzausschuss des Bundestags in seine Beschlussempfehlung. In seiner Sitzung am 18.10.2024 nahm der Bundestag den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss vorgeschlagenen Fassung an.

Der Bundesrat stimmte dem Jahressteuergesetz 2024 am 22.11.2024 zu.

Das Gesetz wird zum großen Teil am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.

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