Zur Haftung des Terminvertreters bei der Online-Terminvergabe

Legal Tech

erschienen im KammerReport 5-2020 | 16.12.2020

Rechtsanwältin Sonja Dercar, Essen

In den letzten Jahren sind zahlreiche Online-Anbieter und Portale zur Vergabe von Terminvertretungen auf den Markt getreten. Ziel der Dienstleistungen ist eine unkomplizierte Onlinevergabe von Terminen, die der Rechtsanwalt selbst nicht wahrnehmen kann. Die Einstellung von Terminen bei Terminsvertreterportalen erfolgt zumeist auf unkomplizierte Art und Weise und liegt allein in der Hand des terminvergebenden Rechtsanwalts. Für gewöhnlich findet man im Angebot des Anbieterportals den Ort, die Zeit, den Streitwert und das Rechtsgebiet. Das Portal erhält hierbei eine prozentuale Gebühr, die sich nach dem Wert der vereinbarten Pauschale für die Terminvergabe richtet. Verschiedene Konzepte führen zur Vergabe von Terminen, wobei eines der Konzepte Pauschalen vorsieht, die ab 50 E als Mindestvergütung eingestellt werden oder aber als offene Aufträge angeboten werden, wobei es unter den interessierten -Kollegen zu einem Wettbieten um die geringste Pauschale kommen kann.

Geschuldet dem Bemühen, die Terminvergabe online so unkompliziert wie möglich zu gestalten, werden für die Wahrnehmung der Termine über das Rechtsgebiet hinaus nur die vom vergebenden Kollegen angegebenen Informationen eingestellt, zum Beispiel Stichworte wie Sorgerecht, Dieselskandal, Strafrecht, Ordnungswidrigkeit, einvernehmliche Scheidung. Weitere Beschreibungen sind nicht notwendig. Teilweise wird auch nur das Rechtsgebiet angegeben, wie beispielsweise eine Terminvergabe am Verwaltungsgericht Münster für pauschal 200 Euro. Oftmals muss der interessierte Terminvertreter den Auftrag bereits per Mausklick bestätigen, ohne den Akteninhalt zu kennen. Dies führt dazu, dass eine erhebliche Bandbreite der Fallgestaltung im Hintergrund sein kann. Der Akteninhalt wird erst nach Annahme des Terminvergabeauftrages und der ausgeschriebenen Vergütung durch Übermittlung der Handakte oder einer Zusammenfassung für den Termin bekannt gegeben.

Nach Erfahrungsberichten fällt auf, dass oftmals ebenfalls neu am Markt tätige LegalTec-Firmen hier Gerichtstermine vergeben, bei denen der Mandant zuvor alles lediglich online abgewickelt hat ohne Kontakt zu einem Rechtsanwalt gehabt zu haben, gerne in Ordnungswidrigkeitsverfahren oder bei Scheidungen. Ob und inwieweit hier Rechtsanwälte Sachbearbeiter oder nur leitende Aufsichtspersonen waren, ist für den Terminvertreter oftmals nicht ersichtlich, möglicherweise ist er sogar der erste Rechts-anwalt, den der Mandant in seiner Rechtsangelegenheit kennenlernt.

Eine Vergabe dieser Termine zu oftmals nicht angemessenen Pauschalen ist berufsrechtlich nicht zu beanstanden, da die Regelungen des RVG hier nicht greifen. Inwieweit die Annahme solcher Aufträge auskömmlich und für den den Termin wahrnehmenden Kollegen gewinnbringend ist, hat dieser selbst zu beurteilen.

Wenn nichts anders vereinbart wird und der annehmende Rechtsanwalt quasi den Auftrag per Mausklick annimmt, ist der Terminvertreter mit der Terminwahrnehmung im Namen des Prozessbevollmächtigten beauftragt worden, sodass er grundsätzlich Erfüllungsgehilfe des Prozessbevollmächtigten wird und für diesen die Gebühr nach dem RVG verdient. In diesen Fällen wird kein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien und dem Terminvertreter begründet. Die Pflicht zur Entschädigung der Terminvertreter richtet sich nach der internen Vereinbarung zwischen dem Terminvertreter und dem Prozessbevollmächtigten (BGH Urteil vom 1.6.2006, I ZR 268/03).

Vor dem Hintergrund dieser oftmals finanziell nicht auskömmlichen Pauschalen soll die Haftung des den Auftrag annehmenden Rechtsanwalts beleuchtet werden. Hierbei sind verschiedene Fallkonstellationen zu beachten.

Grundsätzlich obliegt die Pflicht zu ordnungsgemäßem prozessualen Handeln gegenüber dem Prozessgericht dem zum Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalt, nicht dem Verkehrsanwalt. Verletzt der Prozessbevollmächtigte diese Pflicht, haftet der Verkehrsanwalt nicht nach § 278 BGB. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten zu überwachen (BGH, 17.12.1987 -IX ZR 41/86).

Ein Haftungsrisiko bei Verschulden des Prozessbevollmächtigten, weil der Terminvertreter mangels entsprechender Information im Termin nicht vollständig vortragen kann oder nicht alles Erforderliche geltend macht, würde in den Haftungsbereich des beauftragenden Rechtsanwalts fallen.

Allerdings kann die Verletzung der Aufklärungspflicht über Mehrkosten bei einer Tätigkeit als Korrespondenz-anwalt möglicherweise zum Verlust eines Vergütungsanspruches wegen Aufklärungspflichtverletzungen führen (OLG Koblenz am 20.10.1992 -3 U 1884/91). Unterschiede ergeben sich, wenn die Partei den Terminvertreter in Untervollmacht beauftragt. Hier sind Kosten gemäß dem RVG der Partei in Rechnung zu stellen. Es läge ein Auftragsverhältnis auch zwischen dem Terminvertreter und der Partei vor, welches Haftungsrisiken begründen kann. Dies betrifft beispielsweise Prozesshandlungen des Terminvertreters ohne Absprache, wie Vergleichsabschlüsse ohne Widerrufsfrist.

Schließt der Terminvertreter einen unwiderruflichen Vergleich, auch mit Rücksprache der anwesenden Partei und handelt mangels Weitergabe von Informationen oder Rücksprache mit dem terminvergebenden Rechtsanwalt hierbei rechtsfehlerhaft, entsteht aufgrund des Missachtens der Pflichten des neuen Auftragsverhältnisses eine Haftung des Terminvertreters. Denkbar ist diese Konstellation bei der Wahrnehmung von Scheidungsterminen und Vergleichen über den Versorgungsausgleich. Zudem kann in dieser Hinsicht auch eine Haftung gegenüber dem beauftragenden Rechtsanwalt bestehen, denn das Vertrags- und Auftragsverhältnis zwischen dem beauftragenden Rechtsanwalt und dem Terminvertreter wäre möglicherweise verletzt.

Die Schlussfolgerung für die Terminvergabe und Annahme generell, aber in besonderer Weise online durch Mausklick bedeutet, dass eine Auftragsannahme per Mausklick zunächst eine Haftung des Terminvertreters generell ausschließt. Im weiteren Verfahren sollte allerdings über den ein-fachen Mausklick, der die Auftragsannahme auslöst, eine umfassende Sachverhaltsermittlung durch den Terminvertreter stattfinden, um eigene Haftungsrisiken bei teilweise unangemessenen Pauschalen für die Terminwahrnehmung auszuschließen.

Unwiderrufliche Vergleiche sollten überhaupt nicht abgeschlossen werden, auch nicht in Anwesenheit der Partei. Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit, ins Verhandlungsprotokoll aufnehmen zu lassen, dass der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts geschlossen wurde und die Partei auf eine Widerrufsklausel ausdrücklich verzichtet hat.

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UK-Anwälte und Kanzleien post Brexit1

erschienen im KammerReport 5-2020 | 16.12.2020

Rechtsanwalt, Notar a. D. Kay-Thomas Pohl, Berlin
Vorsitzender des AS Europa der BRAK

Nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich (UK) und der EU27 müssen wir damit rechnen, dass das Vereinigte Königreich mit Ablauf des sog. Übergangszeitraumes gemäß Art. 126 des Austrittsabkommens vom 24.01.2020 am 31.12.2020 aus dem Binnenmarkt ohne ein zum Austrittsabkommen hinzutretendes Abkommen über die künftigen beiderseitigen Beziehungen ausscheidet.

Das UK wird dann Drittland. Das hat Konsequenzen sowohl für die einzelnen Anwältinnen und Anwälte als auch für deren Kanzleien in Deutschland, aber auch generell für Berufsausübungsgesellschaften deutscher Berufsträger in einer Rechtsform des Rechtes einer der drei Rechtsordnungen des UK.

 

Advocates, Barristers, Solicitors

Derzeit sind Berufskollegen, die über eine im UK erworbene Berufsqualifikation als advocate, barrister oder solicitor verfügen und sich in Deutschland niedergelassen haben, „europäische Rechtsanwälte“ im Sinne der Richtlinien 77/249 EWG, 98/5 EG und des EuRAG. Sie dürfen in Deutschland und unionsweit sowie in den EWR-Staaten und der Schweiz Rechtsdienstleistungen im Unionsrecht und im deutschen Recht sowie im Recht der jeweils anderen Mitgliedstaaten erbringen, wenn sie von der zuständigen Organisation im Mitgliedstaat (in Deutschland also den regionalen Rechtsanwaltskammern) aufgenommen wurden. Sie sind vor allen deutschen Gerichten mit -Ausnahme des BGH in Zivilsachen postulationsfähig.

Nach dem 31.12.2020 entfällt die Eigenschaft „europäischer Rechtsanwalt“. Die Kammermitgliedschaft der bereits aufgenommenen europäischen Rechtsanwälte mit einer Zulassung aus UK erlischt nicht kraft Gesetzes, die Aufnahme müsste also widerrufen werden. Bislang sieht weder § 14 BRAO noch auch § 4 EuRAG für diesen Fall den Widerruf der Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer als europäischer Rechtsanwalt vor. Eine Erstreckung der Widerrufsgründe des § 4 Abs. 1 und 2 EuRAG auf den Verlust „des Status eines europäischen Rechtsanwalts aus anderen Gründen“ – hier: Austritt eines Mitgliedstaates aus der Union – befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren (Art. 5 des Entwurfes eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften). Nach der ersten Lesung, die bereits erfolgt ist, beschäftigt sich jetzt der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Entwurf, sodass mit dem Inkrafttreten des Art. 5 zum Jahresende gerechnet werden kann.

Rechtsanwälte mit einer Zulassung aus UK, die gemäß § 4 Satz 1 Nr. 2 BRAO als deutsche Rechtsanwälte zugelassen („eingegliedert“) wurden, genießen hingegen in der Regel Bestandsschutz (siehe dazu unten).

 

WHO-Anwalt

An die Stelle des Status „europäischer Rechtsanwalt“ tritt am 01.01.2021 – vorbehaltlich einer Aufnahme der UK-Anwälte in die Anlage 1 der Verordnung zur Durchführung des § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung – die Rechtsstellung eines Berufsträgers aus einem Mitgliedstaat der WHO.

Gemäß § 206 ist im Falle der Niederlassung die Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Recht des Herkunftslandes, hier also des UK, und im internationalen Recht, jedoch nicht mehr im deutschen Recht oder im Unionsrecht gestattet. Die Erbringung vorüber-gehender Rechtsdienstleistungen in Deutschland, etwa in der Kanzlei von Sozien oder von kooperierenden Kollegen (fly in – fly out) durch außerhalb Deutschlands niedergelassene Berufsträger aus dem UK, auch wenn sie Sozien in Deutschland niedergelassener Kanzleien sind, ist dann nicht mehr erlaubt.

 

Integration als Rechtsanwalt

Sofern einzelne Kollegen aus dem UK gemäß §§ 11, 12, 13 oder 16 ff. EuRAG als deutsche Rechtsanwälte zugelassen worden sind, bleibt „eine vor Ende des Übergangszeitraumes erfolgte Anerkennung“ erworbener Berufsqualifikationen erhalten. Das ergibt sich einerseits aus Art. 27 des Austritts-abkommens unter der Voraussetzung, dass die Kolleginnen und Kollegen hier ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Art. 15 des Abkommens erworben haben, was in der Regel der Fall sein wird.

Dass die Zulassung als Rechtsanwalt durch den Brexit unberührt bleibt, ergibt sich andererseits ohnehin aus dem nationalen deutschen Recht, welches die Zulassung weder von einer deutschen Staatsangehörigkeit noch auch von der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der EU oder des EWR abhängig macht. Freilich büßt die Rechtsstellung der UK-Staatsangehörigen als deutsche Rechtsanwälte einen Teil ihres Charmes ein: Die andauernde Anerkennung dieser Berufsqualifikation gilt gemäß Art. 27 des Austritts-abkommens „in dem betreffenden Staat“, hier also in Deutschland, aber nicht mehr unionsweit. Ob und ggf. welche Rechtsdienstleistungen ein UK-Staatsangehöriger als deutscher Rechtsanwalt in anderen Mitgliedstaaten der Union bzw. des EWR erbringen darf, richtet sich dann ausschließlich nach dem nationalen Recht des jeweiligen potenziellen Gastlandes. Unionsweite Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vermittelt die Zulassung als Rechtsanwalt dann nicht mehr.

 

Syndici

Für die europäischen Syndikusrechtsanwälte entspricht die Situation der Situation der niedergelassenen Rechtsanwälte: vorbehaltlich des Inkrafttretens des entsprechenden Gesetzes ist ihre Aufnahme in eine deutsche Rechtsanwaltskammer nach dem Brexit zu widerrufen.

Aber selbst für Syndikusrechtsanwälte, die für ihre derzeitige Tätigkeit als deutsche Syndikusrechtsanwälte eingegliedert wurden, wird Rechtsunsicherheit entstehen. Sie sehen sich dem Risiko ausgesetzt, nach einem Tätigkeitswechsel und dem damit verbundenen Widerruf ihrer Zulassung gemäß § 46 Abs. 2 BRAO nicht wieder eingegliedert zu werden, d. h. in Deutschland nicht mehr als Syndikusrechtsanwalt arbeiten zu können. Syndikusrechtsanwälte müssen für jede neue Tätigkeit (eine wesentliche Änderung der Tätigkeit beim gleichen Arbeitgeber genügt für den Verlust der bisherigen Zulassung) neu als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden. Nach dem Brexit verlieren aber die Kolleginnen und Kollegen mit UK-Qualifikation die Voraussetzungen, um in Deutschland als deutscher Syndikusrechtsanwalt (im Wege der Eingliederung) erneut zugelassen zu werden, oder als europäischer Syndikusrechtsanwalt aufgenommen zu werden. Zumindest eine gesetzgebe-rische Klarstellung, dass die einmal erfolgte Anerkennung der Berufs-qualifikation als deutscher Syndikusrechtsanwalt durch einen Widerruf aufgrund veränderter Tätigkeit verbunden mit erneuter Zulassung nicht erlischt, wäre hilfreich.

 

Anwaltstitel eines anderen Mitgliedstaates

Hat ein solicitor, barrister oder advocate in einem anderen Mitgliedstaat, etwa in Irland, eine Qualifikation als europäischer Rechtsanwalt zusätzlich zu seiner Qualifikation im UK erworben, zeigt sich das deutsche Recht großzügig. § 1 EuRAG geht insoweit weiter als Deutschland es nach der Niederlassungsrichtlinie für Rechts-anwälte 98/5 EG müsste. Während die Richtlinie in Art. 1 Abs. 2 lit a) die Staatsangehörigkeit eines der Mitgliedstaaten voraussetzt, genügt nach §§ 1, 2 EuRAG das Innehaben einer der dort aufgeführten Berufsbezeichnungen anderer Mitgliedstaaten für die Aufnahme als europäischer Rechtsanwalt in eine deutsche Rechtsanwaltskammer. Zahlreiche solicitors aus England und Wales haben in den letzten Jahren in Erwartung des bevorstehenden Brexit den Status eines irischen solicitor erworben. Da Irland ebenso wie auch England und Wales zusätzlich zur Berufsqualifikation ein zeitlich befristetes „Practising Certificate“ als Voraussetzung der Berufsausübung kennen, stellt sich die Frage, ob die deutschen Kammern zusätzlich zum Nachweis der Quali-fikation als solicitor auch die Vorlage eines gültigen „Practising Certificate“ verlangen sollten. Die Law Society of Ireland sieht dessen Vorlage für -Zwecke der Niederlassung oder der grenzüberschreitenden Rechtsdienstleistung vor, nicht jedoch als dauerndes Erfordernis nach erfolgter Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, hier also Aufnahme als europäischer Rechtsanwalt in eine deutsche Rechtsanwaltskammer. Dass der Ablauf des zeitlich befristeten practising certificate unschädlich sei, wirkt sich dann ähnlich wie eine Befreiung von der Kanzleipflicht aus. Da nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 EuRAG der bloße Nachweis des Anwaltstitels genügt, dürfte das der deutschen Rechtslage entsprechen und ist auch sachgerecht.

 

Kanzleien

Gemäß § 206 BRAO niedergelassene WHO-Anwälte, deutsche Rechtsanwälte und europäische Rechtsanwälte können sich gemäß § 59 a Abs. 2 Nr. 1 zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden.

Die deutschen Berufsträger haben dabei das deutsche Berufsrecht und die danach bestehende Beschränkung der ihnen für die gemeinsame Berufsausübung zur Verfügung stehenden Rechtsformen zu beachten. Zulässig sind mit Ausnahme der KG und der OHG die Rechtsformen des deutschen Kapital- und Personengesellschaftsrechts und die entsprechenden Rechtsformen der EU und EWR -Mitgliedstaaten. Wird eine dieser Rechtsformen gewählt, vermitteln der bzw. die Gesellschafter, welche deutsche oder europäische Rechtsanwälte sind, der Gesellschaft das Recht zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im deutschen Recht und im -Unionsrecht, sofern die Gesellschaft dabei durch persönlich entsprechend berechtigte Berufsträger handelt.

Zu diesen Rechtsformen gehört derzeit noch eine im UK errichtete LLP. Nach dem erwarteten „harten“ Brexit wird das für LLPs mit dem Verwaltungssitz außerhalb der Union und des EWR nicht mehr der Fall sein.

LLPs mit dem Verwaltungssitz außerhalb der Union dürfen somit nach einem harten Brexit in Deutschland keine Rechtsdienstleistungen mehr erbringen, auch nicht durch ihre in Deutschland zugelassenen Berufsträger. Die einzelnen in Deutschland zugelassenen Berufsträger bleiben natürlich berechtigt, Rechtsdienstleistungen zu erbringen: Es wird dann im Wege der Auslegung zu ermitteln sein, ob sie das Mandat auf eigene Rechnung führen oder für eine neben die LLP getretene GbR, gebildet z. B. durch die in Deutschland weiterhin zur Berufsausübung berechtigten Berufsträger; beides jeweils mit unbeschränkter persönlicher Haftung.

LLPs mit dem Verwaltungssitz in Deutschland werden ein anderes, durch den Brexit bedingtes, Problem haben. An die Stelle des derzeit noch geltenden IPR des Unionsrechtes, welches nach der Rechtsprechung des EuGH zum Zwecke der Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit an das Gründungsstatut – hier: UK – anknüpft, wird im Verhältnis zum Drittstaat UK das deutsche IPR, welches an den Sitz anknüpft, treten. LLPs mit Verwaltungssitz im Inland werden dann Gesellschaften deutschen Rechts. Sie werden sich in eine Gesellschaftsform deutschen Rechts kraft Gesetzes umwandeln, nach überwiegender Meinung wohl in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Damit hätte die Gesellschaft dann zwar wieder eine nach dem deutschen Berufsrecht zulässige Rechtsform, verlöre aber ihre Haftungsbeschränkung, sofern nicht die Gesellschafter selbst zuvor einen Rechtsformwandel beschließen. Dass der Gesetzgeber rechtzeitig vor dem 31.12.2020 die Rechtsform der GmbH & Co KG als zulässige Berufsausübungsgesellschaft eröffnet oder eine Übergangsregelung für LLP schafft, erscheint in Ermangelung entsprechender Absichtserklärungen oder Entwürfe des BMJV unwahrscheinlich.

1 Abdruck mit freundlicher Genehmigung der BRAK

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Praxishinweise der RAK Hamm zur Geldwäscheprävention

erschienen im KammerReport 5-2020 | 16.12.2020

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Kammerrechtsbeistände können Verpflichtete im Sinne des Geldwäschegesetzes (GwG) sein, wenn sie eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG aufgeführten Tätigkeiten durchführen. In diesem Fall müssen die Sorgfaltspflichten und internen Sicherungsmaßnahmen nach dem GwG beachtet und eingehalten werden. In ihren Aufsichtsprüfungen im Rahmen der Geldwäscheprävention bemerkt die RAK Hamm immer wieder die gleichen sanktionsbewehrten und leicht vermeidbaren Verstöße. Daher legen wir Ihnen die Beachtung der folgenden Praxishinweise nahe:

  1. Die Vorschriften des GwG dienen der Prävention. Rechtsanwälte sollen sich durch Vorsichtsmaßnahmen vor ihrem Missbrauch durch Kriminelle zu deren Geldwäsche schützen. Weder das Geldwäschegesetz noch die RAK Hamm als Aufsichtsbehörde verdächtigt Rechtsanwälte oder Mandanten der Geldwäsche. Das Risiko ist ab-strakt, die Aufsichtsprüfungen erfolgen grundsätzlich anlasslos.
  1. Erfüllen Sie die Sorgfaltspflichten bei jeder Tätigkeit im Sinne des
    2 Abs. 1 Nr. 10 GwG, insbesondere auch für langjährig bekannte „Dauermandanten“. Anknüpfungspunkt der Verpflichtungen ist nicht der Mandant, sondern vielmehr jede einzelne (zumindest abstrakt) risikobehaftete Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG für den Mandanten. Nach dem GwG kann das Missbrauchsrisiko dort allenfalls gering, jedoch nicht ausgeschlossen sein. Die Sorgfaltspflichten entfallen daher in keinem Fall. Lediglich ihr Umfang kann nach Maßgabe des § 14 GwG gegebenenfalls reduziert werden. Die Pflicht zur Identifizierung entfällt dementsprechend nicht schon dann, wenn Ihnen der zu Identifizierende persönlich bekannt ist. Wurde der Mandant einmal GwG-konform identifiziert und dies dokumentiert, kann von einer erneuten Identifizierung bei der anstehenden Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG mit demselben Mandanten unter Umständen abgesehen werden, vgl. § 11 Abs. 3 GwG. Dokumentieren Sie dann jedoch stets den Namen des zu Identifizierenden und den Umstand, dass er bei früherer Gelegenheit identifiziert worden ist, § 8 Abs. 2 S. 5 GwG, durch einen Hinweis, wo die Dokumentation der Identifizierung zu finden ist. Beachten Sie jedoch, dass die Identifizierung nur eine von mehreren zwingenden Sorgfaltspflichten ist, vgl. § 10 GwG.
  1. Prüfen Sie die Identität des Mandanten und gegebenenfalls der für ihn auftretenden Person anhand des vor Ort im Original vorgelegten Personalausweises und fertigen Sie die Kopie. Sie dürfen und müssen die betreffenden Ausweise kopieren und aufzeichnen oder einscannen. § 8 Abs. 2 S. 2 GwG geht als lex specialis insoweit entgegenstehenden Normen (Personalausweisgesetz, Datenschutz) vor. Eine zugesendete Kopie ist untauglich, vgl. § 13 Abs. 1 GwG. Eine solche nicht ordnungsgemäße Identifizierung ist sanktionsbewehrt. Dies gilt auch bei Fernmandaten. In diesen Fällen können Sie einen Kollegen oder andere Verpflichtete am Ort des Mandanten nach Maßgabe des § 17 GwG beauftragen und Ihre (!) Sorgfaltspflichten, für die Sie nach wie vor verantwortlich bleiben,
    17 Abs. 1 S. 3 GwG, durch Dritte durchführen lassen.
  1. Auch die Mitwirkung anderer Verpflichteter, beispielsweise eines Notars, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers oder eines Geldinstituts befreien Sie nicht von der Erfüllung Ihrer Pflichten nach dem GwG. So hat der Rechtsanwalt beispielsweise die Identifizierungspflicht nebst Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten auch dann zu erfüllen, wenn der Mandant etwa bereits beim Notar identifiziert wurde oder dort voraussichtlich noch identifiziert werden wird. Ziel ist es, dem Geldwäscherisiko mithilfe eines weiten und konsequenten Präventionssystems vorzubeugen.
  1. Die Rechtsanwaltskammer Hamm empfiehlt Ihnen, einen GwG-Fragebogen zu erstellen und im Falle des Vorliegens einer Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG auszufüllen und zur jeweiligen Akte zu nehmen. Darin könnten die Sorgfaltspflichten in Bezug auf das einzelne Mandat abgefragt werden. Zunächst könnte eine Feststellung erfolgen, welche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG vorliegt. Dann könnte dokumentiert werden, wie die Identifizierung erfolgt ist und ob der Mandant eine politisch exponierte Person (PEP), ein Familienangehöriger oder eine der PEP nahestehende Person ist. Zum Schluss könnte eine Risikobewertung der einzelnen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG erfolgen.

Weitere Informationen finden Sie in der aktualisierten 4. Auflage der Auslegungs- und Anwendungshinweise zum GwG, welche Sie auf der Homepage der Rechtsanwaltskammer Hamm unter „Anwaltsservice“ – dort: „Geldwäschegesetzverpflichtungen“ – finden (www.rechtsanwaltskammer-hamm.de).

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Fallstricke im sozialgerichtlichen Verfahren – Hinweise des BRAK-Ausschusses Steuerrecht

Große BRAO-Reform

erschienen im KammerReport 5-2020 | 16.12.2020

Der BRAK-Ausschuss Sozialrecht hat Hinweise zum Thema „Fallstricke“ in sozialgerichtlichen Verfahren veröffentlicht. In den Hinweisen werden vier Problemkreise betrachtet, die für die anwaltliche Tätigkeit von Bedeutung sind: Beweisanträge, Anträge im laufenden Verfahren, Bescheidungsurteile und die Beantragung von Vertagungen. Die Hinweise sind der zweite Beitrag des Ausschusses; im Juli 2020 wurden bereits „Informationen des Ausschusses Sozialrecht zu den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuches“ veröffentlicht, die Information hierüber finden Sie im KammerReport 4/20.

Die Hinweise des Ausschusses Sozialrecht – Stand: November 2020 – zum Thema „Fallstricke“ im sozialgerichtlichen Verfahren finden Sie unter dem Link https://brak.de/w/files/01_ueber_die_brak/aus-der-arbeit-der-ausschuesse/fallstricke_im_sozialgerichtlichen-verfahren_hinweise-as-sozialr_stand-2020-11_final.pdf

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Die Abtretungsvereinbarung zwischen Geschädigtem und Kfz-Sachverständigen

erschienen im KammerReport 5-2020 | 16.12.2020

Assessor Marc-Andre Kniewel, Dortmund

A Einleitung

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den Problemen einer Abtretungsvereinbarung im Bereich Kfz-Unfallgutachten.

Bei der Auftragserteilung legt ein Kfz-Sachverständiger häufig ein Abtretungsformular zur Unterschrift vor. In diesem verpflichtet sich der Geschädigte, die Schadenersatzforderung, die er selbst gegen den Schädiger hat, erfüllungshalber an den Sachverständigen abzutreten.

Erfolgt eine solche Abtretung erfüllungshalber und nicht an Erfüllung statt, so ist die Vereinbarung i. d. R. als fiduziarische Vollrechtsübertragung zu behandeln.1 Für den Sachverständigen hat dies zur Folge, dass er neben dem Weiterbestehen seiner Forderung aus dem Werkvertrag eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit erhält.2 Der Geschädigte hingegen verliert (zunächst) seinen Anspruch. Er kann die Kosten des Sachverständigengutachtens, die grundsätzlich nach § 249 ff. BGB ersatzfähig sind, nicht mehr in eigenem Namen gegen den Schädiger geltend machen – durch die wirksame Abtretung des Anspruchs besteht keine Aktivlegitimation des Geschädigten.

In der Praxis wird häufig die Aktivlegitimation des Geschädigten gerügt, wenn dieser – trotz geschlossener Abtretungsvereinbarung – die Sachverständigenkosten als eigene Schadensersatzposition geltend macht. Eine solche Rüge ist jedoch nur dann erfolgversprechend, wenn die geschlossene Abtretungsvereinbarung überhaupt wirksam ist.

 

B Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarungen

Ob eine Abtretungsvereinbarung wirksam ist, hängt grundsätzlich vom Einzelfall ab. Bei einer Durchsicht verschiedener Abtretungsvereinbarungen fällt jedoch auf, dass sich in einer Vielzahl der Vereinbarungen gleichlautende Mustertexte befinden. Viele der Mustertexte wurden im Laufe der Zeit an die Rechtsprechung des BGH angepasst. Dennoch ist es nicht selten der Fall, dass auch aktuelle Vereinbarungen noch immer Formulierungen enthalten, die einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Zum besseren Verständnis und zur besseren Überprüfbarkeit in der -Praxis werden deshalb vorab drei exemplarische Beispiele an (noch immer) gängigen Abtretungserklärungen vorgestellt:

I.
„Zur Sicherung des Sachverständigenhonorars in der o. g. Angelegenheit trete ich meine Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs zzgl. Fremdkosten einschließlich der Mehrwertsteuer des SV für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber an den SV ab. Die Abtretung erfolgt in der Reihenfolge: Sachverständigen-kosten, Wertminderung, Nutzungsausfallsentschädigung, Nebenkosten, Reparaturkosten. Dabei wird eine nachfolgende Position nur abgetreten, wenn die zuvor genannte Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken. Sollte die Abtretung der Ansprüche den tatsächlichen Honoraranspruch übersteigen, erfolgt die Abtretung dergestalt, dass hinsichtlich der zuletzt abgetretenen Anspruchsposition ein erstrangiger Teilbetrag in Höhe des restlichen Sachverständigenhonorars abgetreten wird. Auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichte ich. Zugleich weise ich hiermit die Anspruchsgegner unwiderruflich an, den Forderungsbetrag aus der Rechnung des SV unmittelbar durch Zahlung an den SV zu begleichen. Der Sachverständige ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern gegenüber offen zu legen und die erfüllungshalber abgetretenen Ansprüche gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des SV aus diesem Vertrag gegen mich nicht berührt. Diese können nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung bei der gegnerischen Versicherung oder dem Schädiger zu jeder Zeit gegen mich geltend gemacht werden. Im Gegenzug verzichtet der Sachverständige dann jedoch Zug-um-Zug gegen Erfüllung auf die Rechte aus der Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern. Über die Vergütungsansprüche des Sachverständigen im Zusammenhang mit der im vor-liegenden Schadensfall entfalteten Tätigkeit darf ich keine Vergleiche abschließen.“

II.
„Zur Sicherung des Sachverständigenhonorars in der o. g. Angelegenheit trete ich meinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs einschließlich der Mehrwertsteuer für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber an den SV ab. Auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichte ich. Zugleich weise ich hiermit die Anspruchsgegner unwiderruflich an, den Forderungsbetrag aus der Rechnung des SV unmittelbar durch Zahlung an den SV oder den von ihm genannten Gläubiger zu begleichen. Der SV ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern gegenüber offen zu legen und die erfüllungshalber abgetretenen Ansprüche gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des SV aus diesem Vertrag gegen mich nicht berührt. Diese können nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung bei der gegnerischen Versicherung oder dem Schädiger zu jeder Zeit gegen mich geltend gemacht werden. Im Gegenzug verzichtet der Sachverständige dann jedoch Zug um Zug gegen Erfüllung auf die Rechte aus der Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern. Über die Vergütungsansprüche des SV im Zusammenhang mit der im vorliegenden Schadenfall entfalteten Tätigkeit darf ich keine Vergleiche abschließen.“

III.
„(…) Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen.“

Es mag überraschend sein, aber sämtliche der o. g. Abtretungsvereinbarungen sind unwirksam – sie verstoßen gegen §§ 305 ff. BGB:

Die unter I. aufgezeigte Vereinbarung verstößt gegen § 305c Abs. 1 BGB:

Eine Regelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen hat dabei einen überraschenden Inhalt i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht.3

Die in der Vereinbarung verwendete Formulierung ist wegen ihres über-raschenden Charakters nicht Vertragsbestandteil geworden.4

Die dargestellte Abtretungsvereinbarung bezieht sich nicht nur auf die grundsätzlich abtretungsfähige Schadenersatzposition der Gutachterkosten, sondern erweitert die Abtretungsvereinbarung auf nahezu sämtliche Ansprüche, die ein Geschädigter gegen seinen Unfallgegner geltend machen kann.

Sie ist deshalb überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB, da ein rechtlich nicht vorgebildeter durchschnittlicher Auftraggeber eines Schadensgutachtens nicht mit einer Abtretungsvereinbarung dieser Art zu rechnen braucht.5

Die unter II. aufgezeigte Vereinbarung ist nicht überraschend im o. g. Sinn, verstößt jedoch gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 BGB:

„Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird.“6

Die Abtretungsvereinbarung erfüllt diese Anforderungen nicht.

„Unklar im dargestellten Sinne ist die Klausel dabei schon deshalb, weil aus ihr für den als durchschnittlichen Kunden angesprochenen (durchschnittlichen) Unfallgeschädigten nicht hinreichend deutlich wird, – welche Rechte ihm gegenüber dem Sachverständigen zustehen sollen, wenn der Sachverständige nach „zur Sicherung“ und „erfüllungshalber“ erfolgter (Erst) Abtretung des Schadensersatzanspruchs den ihm nach der Klausel verbleibenden vertraglichen Honoraranspruch geltend macht.“7

In der Vereinbarung findet sich zwar eine Verzichtserklärung. Diese betrifft jedoch allein den Verzicht des Sachverständigen, den Schädiger nicht aus abgetretenem Recht in Anspruch zu nehmen, falls der Sachverständige den Geschädigten in Anspruch nimmt und dieser seiner vertraglichen Verpflichtung nachkommt.

„Die damit intransparent geregelte Frage, was mit der vom Geschädigten an den Sachverständigen abgetretenen Schadensersatzforderung geschehen soll, wenn der Sachverständige nach der Abtretung seinen vertraglichen Honoraranspruch gegen den Geschädigten geltend macht, steht in unmittelbarem inhaltlichen Zusammenhang mit der „zur Sicherung“ und „erfüllungshalber“ erfolgten Forderungsabtretung selbst. Die dargestellte Intransparenz führt deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel (…).“8

Die gerügte fehlende Transparenz kann darüber hinaus auch nicht durch Auslegung der Vereinbarung überwunden werden. In der Vergangenheit wurde von einzelnen Gerichten vertreten, dass sich ein solcher Anspruch aus ergänzender Vertragsauslegung ergäbe bzw. dies konkludent vereinbart sei.9

Dies führt jedoch nicht darüber hinweg, dass der BGH mit seinen Entscheidungen deutlich gemacht hat, dass insbesondere die Regelung zur Rückübertragung des Anspruchs ausdrücklich erfolgen muss, da hier weder die Rechtsfigur der ergänzenden Vertragsauslegung noch die konkludente Einbeziehung in den Vertrag geeignet sind.

Die unter III. dargestellte Vereinbarung verstößt trotz der formulierten Rückübertragungsmöglichkeit ebenfalls gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB:

Der Anspruch auf Rückübertragung muss nämlich nicht nur generell, sondern darüber hinaus auch eindeutig geregelt sein.

Aus der Klausel muss der Zeitpunkt, ab welchem der Geschädigte seinen Anspruch zurückerhält, klar erkenntlich sein.10

Diese Anforderungen erfüllt die Klausel nicht.

Bei der Klausel bleibt ungeklärt, ab wann der Geschädigte die abgetretene Forderung zurückerhalten soll. Es wird nicht deutlich, ob dies bereits bei Zahlungsaufforderung, gleichzeitig mit der Zahlung oder erst im Anschluss an die Zahlung erfolgt.11 Die Klausel regelt nur intransparent, wann der Geschädigte den an den Sachverständigen abgetretenen Anspruch ganz oder nur teilweise zurückerhält. Das dem Geschädigten zustehende Rückübertragungsrecht „steht in unmittelbarem inhaltlichen Zusammenhang mit der Regelung der erfüllungshalber erfolgenden Anspruchsabtretung selbst und führt deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB zu deren Unwirksamkeit.“12

 

C. Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarungen

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, beantragen Geschädigte – trotz der getroffenen Abtretungsvereinbarung – Zahlung der Gutachterkosten an sich bzw. Freistellung ggü. dem Gutachter. Erfüllt die Abtretungsvereinbarung jedoch die höchstrichterlichen Anforderungen, so führt die mangelnde Aktivlegitimation des Geschädigten zwangsläufig zu einer Versagung des geltend gemachten Anspruchs und einer dementsprechenden Kostenlast:

„Der Klägerin steht darüber hinaus kein Anspruch auf Erstattung der beanspruchten Sachverständigen-kosten zu. (…). Die Klägerin vermochte ihre Aktivlegitimation hinsichtlich der unstreitig erfolgten Abtretung des Ersatzanspruchs gegenüber der Beklagten an den Sachverständigen weder darzulegen noch zu beweisen. Insbesondere berief sich die Klägerin zuletzt auf einen Freistellungsanspruch, sodass ein Ausgleich der Kosten und eine damit einhergehende Rückabtretung des Ausgleichsanspruchs nicht angenommen werden konnte.“13

 

D. Zusammenfassung

Durch die BGH-Entscheidungen wurde klargestellt, dass in der Abtretungsvereinbarung nur die Schadensersatzposition der Gutachterkosten erfüllungshalber abgetreten werden kann. Eine vollumfängliche Abtretung aller etwaigen Ansprüche führt zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Zudem muss in der jeweiligen Abtretungsvereinbarung ausdrücklich geregelt sein, wann und unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte einen Anspruch auf Rückabtretung des Anspruchs erhält.

Bei der Übernahme eines verkehrsunfallrechtlichen Mandats sollte daher stets zu Beginn geprüft werden, ob die Abtretungsvereinbarung an den Kfz-Sachverständigen überhaupt wirksam ist, da dies die Aktivlegitimation des Geschädigten betrifft.

Wird eine Forderung wirksam auf den Sachverständigen übertragen, so verbleibt für einen Geschädigten – der die Kosten des Sachverständigengutachtens dennoch gerichtlich geltend machen will – nur die Möglichkeit, dass er sich vor der Geltendmachung des Anspruchs mit dem Sachverständigen in Verbindung setzt. Dieser kann den Geschädigten zur Durchsetzung des Anspruchs ermächtigen.

Ist die Abtretungsvereinbarung unwirksam, so bleibt der Geschädigte Inhaber des Schadensersatzanspruchs. Er ist nach wie vor aktivlegitimiert und kann die Kosten des Sachverständigengutachtens selbst gegen den Schädiger geltend machen.

 

  1. Palandt/Grüneberg § 364 Rz. 7
  2. Palandt/Grüneberg § 364 BGB Rz. 7
  3. Vgl. BGH, Urteile vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 241/13, ZMR 2014, 966 Rn. 19; vom 18. Mai 1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 25; vom 1. Oktober 2014 – VII ZR 344/13, NZBau 2014, 757 Rn. 14; vom 9. Dezember 2009 – XII ZR 109/08, BGHZ 183, 299 Rn. 12; vom 11. Dezember 2003 – III ZR 118/03, WM 2004, 278, 280; vom 26. Juli 2012 – VII ZR 262/11, MDR 2012, 1247 Rn. 10; vom 30. Juni 1995 – V ZR 184/94, BGHZ 130, 150, 154; zit. nach BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 475/15.
  4. Vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 475/15, Rn. 11
  5. Vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 475/15 Rn. 11
  6. BGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – VI ZR 277/17, Rn. 14
  7. BGH, a. a. O. Rn. 15
  8. BGH, a. a. O. Rn. 16
  9. exemplarisch AG Bad Neustadt, Urteil v. 09.03.2016 – 1 C 568/15
  10. Vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2020 – VI ZR 135/19
  11. BGH a. a. O. Rn. 10
  12. BGH a. a. O Rn. 11
  13. exemplarisch Landgericht Dortmund, Urteil v. 26.06.2020, Az. 21 O 353/19

 

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Anpassung der „DAC-6“– Handlungshinweise des BRAK-Ausschusses Steuerrecht

erschienen im KammerReport 5-2020 | 16.12.2020

Wie bereits berichtet, ist am 01.01.2020 das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen in Kraft getreten. Dieses Gesetz setzt die sog. DAC-6-Richtlinie in nationales Recht um.

Der Ausschuss Steuerrecht der Bundesrechtsanwaltskammer hat seine DAC-6 Handlungshinweise erneut aktualisiert (die letzte Anpassung erfolgte im August 2020). Die Fassung von September 2020 steht nachfolgend zum Download bereit.

DAC-6 Handlungshinweise des Ausschusses Steuerrecht – Stand: September 2020

https://newsletter.rakba.de/2020/10/erneute-anpassung-der-handlungshinweise-zur-pflicht-zur-mitteilung-grenzueberschreitender-steuergestaltungen/

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Achtung Berufsrechtsverstoß: beA erstregistrieren!

Aktive beA Nutzungspflicht

erschienen im KammerReport 5-2020 | 16.12.2020

Bereits seit dem 01.01.2018 sind alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gem. § 31a Abs. 6 BRAO verpflichtet, das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zumindest passiv zu nutzen. Dies bedeutet, dass sie die für die Nutzung des beA erforderlichen technischen Einrichtungen vorhalten, die Erstregistrierung durchlaufen sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis nehmen müssen. Geschieht dies nicht, verhält sich der Rechtsanwalt berufsrechtswidrig. Er setzt sich, sollte Eingangspost unbemerkt bleiben, zudem einem erheblichen zivilrechtlichen Haftungsrisiko aus, denn jedes von der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichtete beA ist, auch wenn der Rechtsanwalt es selbst noch nicht installiert und sich erstregistriert hat, unmittelbar empfangsbereit.

Eine aktuelle Auswertung der Bundesrechtsanwaltskammer ergibt, dass im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Hamm zum Stichtag 29.10.2020 nur insgesamt 75 % aller Postfächer erstregistriert waren. Bei den Syndikusrechtsanwälten liegt die Erstregistrierungsquote sogar nur bei 49 %.

Wir appellieren deshalb nochmals dringend an alle Kolleginnen und Kollegen, die dies bislang versäumt haben, umgehend die Erstregistrierung vorzunehmen. Die Rechts-anwaltskammer ist gehalten, nicht-aktivierte Postfächer aus dem System zu ermitteln und gegen die Postfachinhaber Aufsichtsverfahren einzuleiten. Dies wird in Kürze geschehen. Rügebescheide werden mit einer Gebühr in Höhe von 150,00 Euro belegt sein. Das Anwaltsgericht Nürnberg hat einen Verstoß gegen § 31a Abs. 6 BRAO sogar mit einer Geldbuße von 3.000 Euro geahndet.

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