Weniger Anwälte, mehr Syndizi und Fachanwältinnen und noch mehr BAG

erschienen im KammerReport 3-2024 | 21.06.2024

Die 28 Rechtsanwaltskammern verzeichneten zum Stichtag 01.01.2024 insgesamt 172.514 Mitglieder. Im Vergleich zum Vorjahr (169.388) bedeutet dies insgesamt einen leichten Zuwachs um 3.126 Mitglieder (1,85 %).

Dieser Zuwachs der Gesamtmitglieder basiert im Wesent­lichen auf dem enormen Anstieg der nichtanwaltlichen Mitglieder nach § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO, gefolgt von den Berufsausübungsgesellschaften (BAG). Aber auch mehr Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte waren Mitglieder der Rechtsanwaltskammern:

Zum Stichtag waren 165.776 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte* in allen Zulassungsarten zugelassen.

Das entspricht einem Plus von 0,36 % im Vergleich zum Vorjahr (165.186). Somit setzte sich der leichte Rückgang in den Jahren 2021 (165.680; -0,13 %), 2022 (165.587; -0,06 %) und 2023 (165.186; -0,24 %) in der Gesamtschau nicht fort.Konkret waren bundesweit 139.589 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Einzelzulassung (Vorjahr: 140.713; -1.124; -0,80 %), 6.806 Syndikusrechtsanwältinnen und -anwälte (Vorjahr: 5.937; +869; +14,64 %) und 19.381 in Doppelzulassung (Vorjahr: 18.536; +845; +4,56 %) zugelassen.

Damit sind die Zahlen der Einzelzulassungen erneut rückläufig. Der Trend geht weiterhin zur Zulassungsart Syndizi, die insbesondere bei Frauen sehr beliebt ist: Deren Anteil lag bei 59,39 %. Bei den doppelt Zuge­lassenen lag der weibliche Anteil bei 45,96 %, bei den einzeln Zugelassenen bei 34,77 %.

Insgesamt lag der Frauenanteil unter den zum Stichtag bundesweit zur Rechtsanwaltschaft Zugelassenen (165.776) mit 61.491 Rechtsanwältinnen bei 37,09 %. Der weibliche Anteil ist in allen Zulassungsarten um 1,52 % gestiegen (Vorjahr: 36,67 %). Die Entwicklung hält damit an.

Enorme Zuwächse gab es bei den zugelassen BAG und zwar um 47,63 % (01.01.2024: 4.727; Vorjahr: 3.202). Den größten Anteil daran haben die 3.177 PartGmbB, die gleich­zeitig mit 72,38 % den höchsten Zuwachs verzeichneten (Vorjahr: 1.843). Ferner waren 1.404 GmbH (Vorjahr: 1.268), 33 AG (Vorjahr: 30), 25 UG (Vorjahr: 16), 22 GmbH & Co KG (Vorjahr: 4), 35 LL.P. (Vorjahr: 1) und zehn sonstige Gesellschaften (Vorjahr: 2) zugelassen.

Außerdem waren 21 Personengesellschaften, die nach § 59f Abs. 1 Satz 2, 3 BRAO freiwillig ihre Zulassung beantragen können, zugelassen. Diesen unterfallen größtenteils die GbR, aber auch die PartG.

Die Anzahl der Mitglieder nach § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO, den nichtanwaltlichen Mitgliedern von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen der Berufsausübungsgesellschaften, stieg stark an: Verzeichneten die Rechtsanwaltskammern im Vorjahr noch 866 Mitglieder, waren es zum 01.01.2024 insgesamt 1.889. Die Zahl der nichtanwaltlichen Mitglieder hat sich damit bundesweit mehr als verdoppelt (+118,13 %).

Die Anzahl der Fachanwältinnen und Fachanwälte ist weiter gestiegen:

Zum Stichtag gab es 46.035 Fachanwälte (Vorjahr: 45.968), davon 15.201 Fachanwältinnen (Vorjahr: 15.026). Damit ist der Frauenanteil bei den Fachanwaltschaften erneut gestiegen und liegt bei 33,02 % (Vorjahr: 32,69 %). Gemessen an der Gesamtzahl der insgesamt zugelassenen Rechtsanwälte sind 27,77 % auch Fachanwälte; von den insgesamt zugelassenen Rechtsanwältinnen sind 24,72 % auch Fachanwältinnen.

Die Anzahl der erworbenen Fachanwaltstitel hat mit insgesamt 58.474 Titeln weiter zugenommen (Vorjahr: 58.339). 34.896 Rechtsanwälte (davon 12.292 weiblich) erwarben einen Fachanwaltstitel, 9.857 (davon 2.676 weiblich) zwei Fachanwaltstitel und 1.282 (davon 233 weiblich) die höchstmöglichen drei Fachanwaltstitel.

Beliebteste Fachanwaltschaft ist nach wie vor die für Arbeits­recht (11.163), gefolgt von der Fachanwaltschaft für Familienrecht (8.759), für Steuerrecht (4.695), für Verkehrsrecht (4.400) und Strafrecht (3.994). Die höchsten Zuwächse verzeichneten die Fachanwaltschaften für Vergaberecht (+10,54 %), für Sportrecht (+20,00 %), für Informationstechnologierecht (+5,53 %) und für Migrationsrecht (+5,46 %). Die Fachanwaltschaften für Sozialrecht (-2,69 %), für Familienrecht (-2,02 %) und für Transport- und Speditionsrecht (-1,73 %) hatten die höchsten Rückgänge.

* Der Begriff „Rechtsanwalt“ wird in den Statistiken „außer bei gesondert aufgeführten Einzeldaten“ für alle Zulassungsarten und Geschlechter verwendet.

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Schon gewusst? Elektronischer Rechtsverkehr mit den Gerichtsvollziehern

erschienen im KammerReport 3-2024 | 21.06.2024

Für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr kann für Gerichtsvollzieher ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) oder ein elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingerichtet werden. Es besteht daher die Möglichkeit, Aufträge zur Zustellung oder Zwangsvollstreckung sowie Sachstandsanfragen unmittelbar an Angehörige des Gerichtsvollzieherdienstes zu richten. Wurde ein entsprechendes Postfach eingerichtet, sind die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher unter ihren Namen und der Geschäftsanschriften im eBO-Adressbuch zu finden. In diesem Fall können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch per beA unmittelbar mit den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern kommunizieren. Diese können im beA im Gesamtverzeichnis gesucht und ausgewählt werden.

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Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft

erschienen im KammerReport 3-2024 | 21.06.2024

von Uta Fölster (Schlichterin) und Alexander Jeroch (Geschäftsführer)

Streit zwischen Rechtsanwalt und Mandant: mehr Schlichtung wagen
Zum 1.1.2011 nahm in Berlin die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft (SdR) ihre Arbeit auf. Gäbe es sie noch nicht, müsste man sie erfinden, denn die SdR kann im Bereich der einvernehmlichen Streitbeilegung auf erfolgreiche Jahre zurückblicken. Was macht die SdR und was zeichnet sie aus? Zehn kurze Antworten auf häufig gestellte Fragen:

Wofür ist die SdR zuständig?
Sie soll und kann helfen, Streit zwischen Anwältin/Anwalt und Mandantin/Mandant zu schlichten, sofern

  • es um eine „vermögensrechtliche“ Streitigkeit aus dem Mandatsverhältnis geht, deren Wert 50.000 € nicht übersteigt, und
  • der Streit nicht bei Gericht rechtshängig ist oder war.

Wer kann einen Schlichtungsantrag stellen?
Sowohl die Anwältin/der Anwalt/ als auch die Mandantin/der Mandant.

Muss die SdR tätig werden oder kann sie es auch ablehnen, einen Schlichtungsvorschlag zu erarbeiten?
Ja, sie kann ablehnen. Außer den bereits genannten Voraussetzungen (Wertgrenze und gerichtliche Rechtshängigkeit) soll ein Antrag binnen drei Wochen zum Beispiel auch abgelehnt werden, wenn

  • der Anspruch nicht zuvor gegenüber der anderen Partei geltend gemacht worden ist,
  • der Antrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat oder mutwillig erscheint,
  • eine berufsrechtliche Überprüfung bei der Rechtsanwaltskammer oder eine strafrechtliche Überprüfung bei der Staatsanwaltschaft anhängig ist.

Wie wird geschlichtet?
Das Verfahren ist freiwillig und kostenfrei. Mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen finden nicht statt. Ein Schlichtungsantrag muss schriftlich gestellt werden. Liegen keine Ablehnungsgründe vor, haben die Parteien rechtliches Gehör erhalten und sind alle notwendigen Unterlagen eingereicht, so unterbreitet die SdR ab diesem Zeitpunkt binnen 90 Tagen einen Schlichtungsvorschlag. Der Vorschlag enthält einen Tatbestand, also eine Zusammenfassung des Sachverhalts, und eine rechtliche Würdigung. Die Parteien können den Vorschlag ohne weitere Begründung annehmen oder ablehnen. Nehmen beide den Vorschlag an, schließen sie damit einen außergerichtlichen Vergleich, an den sie gebunden sind. Lehnt auch nur eine Seite den Vorschlag der SdR ab, ist das Verfahren beendet. Es bleibt den Parteien nach erfolglosem Abschluss des Schlichtungsverfahrens unbenommen, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten.

Was ist mit Verjährungsfristen?
Unter bestimmten Voraussetzungen kann mit Eingang des Antrages bei der SdR die Verjährung für die Dauer des Verfahrens gehemmt werden.

Das gilt jedenfalls dann, wenn

  • die SdR die zuständige Schlichtungsstelle ist,
  • Ablehnungsgründe nicht vorliegen,
  • der Anspruch sich ausreichend konkret aus dem Vortrag und den Unterlagen ergibt,
  • die gegnerische Seite nicht bereits im Vorfeld signalisiert hat, an einem Schlichtungsverfahren nicht teilzunehmen.

Warum mehr Schlichtung wagen?
Erfolgreiche Schlichtung spart zum einen Geld und Nerven. Anders als ein streng formalisiertes und u. U. kostenintensives gerichtliches Verfahren bietet die flexible Streitschlichtung größeren Raum für Kulanz und Interessenabwägungen. Sie kann stärker Rücksicht nehmen auf das, was im Einzelfall „recht und billig“ ist, und bietet deshalb größere Gewähr für einen dauerhaften Frieden zwischen den Streitenden.

Außerdem spart die Schlichtung Zeit: Sie dauert bei der SdR im Schnitt nur ca. vier Monate, ein gerichtliches Zivilverfahren (1. und 2. Instanz) hingegen im Schnitt rund 18 Monate.

Und auch, wenn ein Schlichtungsvorschlag nicht angenommen wird, so dürfte die Lektüre der gründlichen rechtlichen Ausführungen in dem einen oder anderen Fall zu einem Erkenntnisgewinn führen.

Wer arbeitet bei der SdR?
Beschäftigt sind aktuell eine Schlichterin, ihr Stellvertreter, ein Geschäftsführer (Anwalt), sechs Anwältinnen und Anwälte (jeweils in Teilzeit) sowie fünf Assistentinnen und Assistenten. Beratend steht der SdR ein neunköpfiger Beirat zur Seite.

Was macht den Erfolg der SdR aus?
Jährlich gehen ca. 1.000 Anträge ein, meist gestellt von Mandantinnen und Mandanten. In rund 400 Verfahren unterbreitet die SdR Schlichtungsvorschläge. Ganz überwiegend sehen die Vorschläge ein gegenseitiges Nachgeben vor, die Annahmequote betrug zuletzt 64% – eine erfolgreiche Bilanz für die SdR und vor allem für die streitenden Parteien.

Die Schlichtungsstelle würde sich freuen, wenn noch mehr Anwältinnen/Anwälte von sich aus eine Schlichtung beantragten.

Ist die SdR unabhängig?
Ja. Dazu verpflichten die rechtlichen Vorgaben des Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, der BRAO und der Satzung der Schlichtungsstelle. Sie schreiben die Unabhängigkeit der Einrichtung, die Unparteilichkeit und Verschwiegenheitspflicht ihrer Beschäftigten fest und sehen u. a. vor, dass eine Schlichterin/ein Schlichter nicht Anwältin/Anwalt sein darf. So waren und sind seit der Gründung der SdR ausschließlich frühere Richterinnen/Richter als Schlichterin/Schlichter tätig. Zwar ist die SdR aus organisatorischen Gründen bei der BRAK angesiedelt, sie ist jedoch in ihrer inhaltlichen Arbeit weisungsfrei.

Wo gibt es nähere Informationen?
Unter www.s-d-r.org oder
telefonisch unter 030/ 28 44 441 70.

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Datenschutzrecht: Sektorale Daten­aufsicht für die Anwaltschaft und Schutz des Zurückbehaltungsrechts an Handakten

erschienen im KammerReport 3-2024 | 21.06.2024

Mit dem geplanten Ersten Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) soll die Datenschutzaufsicht in Deutschland vereinheitlicht und zudem Ergebnisse der Evaluierung des BDSG umgesetzt werden.  Zu dem im vergangenen Jahr vorgelegten Referentenentwurf begrüßte die BRAK im Grundsatz die vorgeschlagenen Änderungen zur Vereinheitlichung der Datenschutzaufsicht als Schritte zu mehr Rechtssicherheit im Aufsichtsverfahren. Sie brächten aus ihrer Sicht jedoch nur kleinere Vorteile und seien teils auf bestimmte Bereiche – namentlich Wissenschaft, historische Forschung und Statistik – beschränkt, während andere Bereiche außen vor blieben. Die BRAK erinnerte daran, dass die Forderungen der Anwaltschaft im Interesse eines funktionierenden Datenschutzes und wichtiger zur Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze dringend geboten sind und forderte insbesondere, dass aufsichtsbehördliche Befugnisse zum Schutz des Mandatsgeheimnisses weitergehend beschränkt werden, als dies bisher der Fall ist. Gefordert wurde eine selbstverwaltete und unabhängige anwaltliche Datenschutzaufsicht sowie weitergehende Bemühungen zur territorialen Vereinheitlichung der Datenschutzaufsicht. Besonders wichtig sei der Schutz des Zurückbehaltungsrechts in Bezug auf Handakten, der im Berufsrecht aller rechts- und steuerberatenden sowie wirtschaftsprüfenden Berufe verankert ist, vor einer Aushebelung durch datenschutzrechtliche Auskunfts- oder Datenübertragungsansprüche.

An dieser bereits früher geäußerten Forderung nach einer Zentralisierung und notwendigen sektorspezifischen Ausgestaltung der Datenschutzaufsicht hält die BRAK fest und fordert erneut, die Aufsicht über Datenverarbeitungen in Rechtsanwaltskanzleien in die anwaltliche Selbstverwaltung zu überführen. In einem gemeinsamen Schreiben mit der Bundessteuerberaterkammer, dem Deutschen Steuerberaterverband und der Wirtschaftsprüferkammer vom 08.05.2024 hat die BRAK nun im Vorfeld der ersten Beratung über den Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag am 15.05.2024 gefordert, das Zurückbehaltungsrecht an Handakten der rechts- und steuerberatenden Berufe klar gegen datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche abzusichern.

Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) berechtigt Betroffene in der Regel dazu, eine vollständige Kopie der über sie gespeicherten Daten zu verlangen. Dies gilt auch für die Handakten der rechts- und steuerberatenden Berufe. Das Berufsrecht von Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern normiert im Falle offener Vergütungsansprüche ausdrücklich ein Zurückbehaltungsrecht an den Handakten, die ansonsten nach Beendigung des Mandats herauszugeben sind. Müsste eine vollständige digitale Kopie der Handakte im Wege des Auskunftsanspruchs herausgegeben werden, liefe das Zurückbehaltungsrecht ins Leere. Die Spitzenorganisationen der rechts- und steuerberatenden Berufe fordern daher, das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht in solchen Fällen zu beschränken.

Den Weg zu einer solchen Einschränkung ebnet eine Öffnungsklausel für die Mitgliedstaaten in Art. 23 I DSGVO. In
§ 34 BDSG sind bereits jetzt Einschränkungen für bestimmte Fälle geregelt. Die Spitzenverbände fordern, über § 34 BDSG das Auskunftsrecht des Art. 15 DSGVO auch zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche einzuschränken, da ansonsten regelmäßig die Gefahr besteht, dass Gerichte – wie bereits ergangene Entscheidungen zeigen – auch dem missbräuchlichen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO stattgeben, was zur faktischen Aushöhlung des zivilrechtlichen Zurückbehaltungsrechts führt.

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Anwaltsgebühren: Hinweise für ein transparentes Stundenhonorar

erschienen im KammerReport 3-2024 | 21.06.2024

Für Zeithonorarvereinbarungen in Anwaltsverträgen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Anfang 2023 veröffentlichten Entscheidung strenge Anforderungen an die Transparenz aufgestellt. Verbraucherinnen und Verbrauchern müssen danach sämtliche Tatsachen mitgeteilt werden, die sie benötigen, um den Umfang ihrer finanziellen Verpflichtung erkennen zu können. Die bloße Mitteilung des Stundensatzes genügt dazu nicht; der EuGH hielt die entsprechende Honorarklausel im zugrundeliegenden Verfahren des Obersten Gerichts Litauens für intransparent.

Die Umsetzung der vom EuGH gestellten Transparenzanforderungen bereitet in der Praxis Schwierigkeiten. Nach den Beobachtungen der Gebührenreferentinnen und -referenten der Rechtsanwaltskammern sind einige Rechtsschutzversicherungen dazu übergegangen, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unter Hinweis darauf in Regress zu nehmen, dass die geschlossenen Vergütungsvereinbarungen wegen der Entscheidung des EuGH unwirksam seien.

Zur Erleichterung der anwaltlichen Praxis haben die Gebührenreferentinnen und -referenten bei ihrer 84. Tagung am 6.4.2024 in Stuttgart Handlungshinweise für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verabschiedet:

  • Der EuGH verlangt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, die sich aus der Stundenlohnvereinbarung ergebenden wirtschaftlichen Folgen anhand genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen. Dies kann durch eine Schätzung der mindestens erforderlichen Stunden erreicht werden. Alternativ kann auch vereinbart werden, in angemessenen Zeitabständen abzurechnen. Transparenz kann nach der Rechtsprechung des OLG Köln aber auch auf andere Weise geschaffen werden, etwa indem die gesetzliche Vergütung nach dem RVG als Mindestaufwand vereinbart wird.
  • Eine Honorarklausel ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht allein deshalb nichtig, weil sie dem Transparenzgebot nicht genügt, d. h. weil Angaben zum voraussichtlichen finanziellen Aufwand fehlen. Nach der Rechtsprechung des OLG Bamberg ist die Wirksamkeit einer intransparenten Klausel durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Vertragsschlusses zu prüfen. Dabei sind auch die Kenntnisse und Fähigkeiten des Vertragspartners zu berücksichtigen. Das besondere Fachwissen eines Beteiligten ist dabei den übrigen auf einer Seite Beteiligten nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB zuzurechnen. Dies gilt insbesondere für die in der Praxis häufigen Fälle, in denen ein Rechtsschutzversicherer bei der Aushandlung der Gebührenvereinbarung beteiligt war.
  • Ist eine Vereinbarung über Stundenhonorar unter Berücksichtigung aller Umstände unwirksam, kann das Gericht die rechtliche Lage wiederherstellen, in der sich die Verbraucherin bzw. der Verbraucher ohne die Vereinbarung befunden hätte. Das Gericht kann allerdings nicht selbst bestimmen, welche Vergütung für die schon erbrachten Dienstleistungen angemessen ist, sondern hat das gesetzliche Gebührenrecht anzuwenden.

Weiterführende Links:

EuGH, Urt. v. 12.1.2023 – C-395/21, BRAK-Mitt. 2023, 173 mit Anm. Kunze

OLG Köln, Urt. v. 12.4.2023 – 11 U 2018/19

OLG Bamberg, Urt. v. 15.6.2023 – 12 U 89/22

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