Vorsicht im Umgang mit Fremdgeld 1

Ausbildungsvergütung

erschienen im KammerReport 4-2020 | 18.09.2020

Rechtsanwalt und Notar a. D. Karl F. Hofmeister, Olpe

Der Verfasser hat in seinem im KammerReport Nr. 2/2020 abgedruckten Aufsatz die Gefahren und Rechtsfolgen aufgezeigt, die bestehen, wenn Fremdgeld auf einem Geschäftskonto der Anwaltskanzlei eingegangen ist und dieses nicht unverzüglich an den Empfangsberechtigten weitergeleitet oder auf ein Anderkonto eingezahlt wird. Die Fallstricke wurden anhand einiger Fälle aus der Gerichtspraxis erläutert.

Die Betrachtungen sollen nachstehend vertieft werden.

 

6. Ausschließung aus der Anwaltschaft – AGH NRW Urteil v. 01.03.2019 – 2 AGH 15/182

Der 74 Jahre alte Rechtsanwalt mit 44 Jahren Berufspraxis war im Bereich der Unfallschadensregulierung tätig. Er hatte über einen Zeitraum von mehreren Jahren von Versicherungen geleistete Zahlungen, die für seine Mandanten bestimmt waren, nicht an diese weitergeleitet, indem er teilweise wahrheitswidrig angab, Geldeingänge seien nicht erfolgt oder nicht feststellbar, oder gegen von Mandanten wegen unstreitiger Forderungen erwirkte Mahnbescheide Rechtsmittel eingelegte.  Er war auch wiederholt wegen Untreue zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Der Anwaltsgerichtshof hat entschieden, dass die Ausschließung aus der Anwaltschaft als berufsrechtliche Sanktion im Falle einer strafrecht-lichen Verurteilung wegen Untreue und Betrugs – insbesondere zum Nachteil von Mandanten – der Regelfall ist.3 Nur bei Vorliegen besonderer Umstände könne ausnahmsweise von dieser Maßnahme abgesehen werden. Umstände, die eine mildere Sanktion rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Zulasten des Rechtsanwalts war zu werten, dass er jahrelang Fremdgelder nicht ausgezahlt hat und die Mandanten Klageverfahren einleiten mussten, die der Rechtsanwalt durch Versäumnisurteile und Einsprüche auch noch verzögert hatte. Das vorinstanzliche Anwaltsgericht4 hatte als Maßnahmenausspruch noch ein Vertretungsverbot für den Bereich der Unfallschadenregulierung für ausreichend angesehen. Die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft gegen das Urteil des Anwaltsgericht war erfolgreich.

7. Missmanagement von Fremdgeldern – BGH Beschl. vom 26.11.2019 – 2 StR 588/185

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 Abs. 1 2. Altern. StGB (Untreue in der Variante des Treubruchtatbestands) im konkreten Fall festzustellen, bereitet oft Schwierigkeiten. Das zeigt sich an dem Fall, der von dem BGH zu entscheiden war.

Die Kanzlei der angeklagten Rechtsanwälte entwickelte sich in der Zeit von 2009 bis 2015 wirtschaftlich zunehmend schlechter, so dass diese den Entschluss fassten, an sie überwiesene und übergebene Gelder bewusst pflichtwidrig nicht oder teilweise nicht oder nicht unverzüglich an ihre Mandanten weiterzuleiten, sondern zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten bzw. Begleichung von Kosten ihrer Kanzlei zu verwenden. Über den Eingang von Fremdgeldern ließen sie ihre Mandanten im Unklaren oder hielten diese hin. Erstattungen an Rechtsschutzversicherungen erfolgten Monate oder Jahre später. Es erfolgten aber auch Zuschüsse der Angeklagten aus privaten Mitteln, als die Geschäftskonten im Minus geführt wurden, weil die Einnahmen nicht mehr auskömmlich waren.

Das Landgericht hatte die Angeklagten wegen Untreue in 22 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision führte zur Aufhebung des Urteils und Rückverweisung an das Landgericht. Der BGH beanstandete, dass das Landgericht in allen Fallkonstellationen eine Untreue durch Verwirklichung des Treubruchtatbestands, jeweils begangen durch Unterlassen angenommen hatte. Eine Pflichtverletzung (z. B. Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung der eingegangenen Fremdgelder oder die Pflicht zur Führung eines Anderkontos) begründe allein noch keinen Vermögensnachteil. Das sei erst dann der Fall, wenn in der unterlassenen Weiterleitung die Absicht liege, die eingenommenen Gelder endgültig für sich zu behalten, wenn ein dem Geldeingang entsprechender Betrag nicht jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung gehalten werde6 oder wenn die Gefahr eines Vermögensverlustes groß sei, weil die auf dem Geschäftskonto befindlichen Gelder dem Zugriff von Gläubigern offenstehen7. Erst wenn der Rechts-anwalt durch Verwendung von Fremdgeld private Verbindlichkeiten tilge oder geschäftliche Verbindlichkeiten erfülle, die keinen Zusammenhang mit den Zahlungseingängen haben, sei abgesehen vom Fall des Vorhandenseins ausreichender Mittel zum in Aussicht genommenen Ausgleich bei dem Berechtigten ein Vermögensschaden eingetreten8. Das Landgericht habe bei einer Neuverhandlung zu berücksichtigen, dass nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung ein Vermögensnachteil nicht eintrete, wenn die Tathandlung selbst einen den Verlust aufwiegenden Vermögensnachteil begründet. Honoraransprüche könnten einen Nachteil ausschließen, wenn die Verwendung der Mandantengelder nicht mit dem Vorsatz rechtswidriger Bereicherung erfolgt, sondern dem Zweck dient, bestehende Honoraransprüche zu befriedigen. Unbeschadet, ob es in jedem Fall einer Rechnung des Anwalts nach § 10 RVG bedarf, sei es aber erforderlich, dass der Honoraranspruch entstanden sei, der Höhe nach feststehe oder beziffert werden könne.

8. Rückgriff auf die Berufshaftpflichtversicherung – Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.07.2017 – 4 U 1/19

In diesem Fall hatte ein Untersuchungshäftling, der im Oktober 2010 eine Eigentumswohnung verkaufen wollte,  einer Anwältin eine Geldempfangsvollmacht erteilt. Sie hatte für ihn auch Botengänge und Aufträge übernommen, die eher im nichtjuristischen Bereich lagen. Von der ihr erteilten Geldempfangsvollmacht machte sie im Zusammenhang mit dem Vollzug des notariellen Kaufvertrages Gebrauch. Daraufhin erhielt sie auf ihrem Geschäftskonto am 07.03.2011 eine Gutschrift in Höhe des Kaufpreises von 90.800,26 E. Erst nach der Entlassung des Vollmacht-gebers aus der Untersuchungshaft teilte die Rechtsanwältin diesem den Empfang des Geldes mit. Nach Auszahlung von Beträgen in einer Gesamthöhe von 5.000,– E übergab sie am 16.06.2011 dem Treugeber mehrere Rechnungen in einer Gesamthöhe von 85.808,26 E, die teilweise unberechtigt, teilweise überhöht und teilweise ohne Rechtsgrundlage waren.

Ende 2011 nahm der Treugeber die Anwältin auf Zahlung der ihm zustehenden Beträge vor dem Landgericht in Anspruch. Am 22.01.2012 wurde über das Vermögen der Rechtsanwältin das Insolvenzverfahren eröffnet. In dem Rechtsstreit wurde die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO festgestellt.

Nun wandte sich der Kläger an die Berufshaftpflichtversicherung der Anwältin und nahm diese auf Zahlung und Schadenersatz in Anspruch. Er behauptete, die Rechtsanwältin habe schuldhaft, aber nicht vorsätzlich pflichtwidrig gehandelt. Die Versicherung hat demgegenüber argumentiert, ihre Versicherungsnehmerin habe vorsätzlich pflichtwidrig gehandelt, so–
dass ihre Leistung – auch gegenüber einem Direktanspruch des Klägers – ausgeschlossen sei. Die Rechtsanwältin habe neben dem unstreitigen Stellen von ungerechtfertigten Rechnungen wissentlich gegen die mit dem Kläger vereinbarte besondere Zweckbindung des zur Weiterleitung bestimmten Kaufpreises verstoßen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Rechtsanwältin habe dadurch pflichtwidrig gehandelt, dass sie das erhaltene Geld nicht unverzüglich ausgekehrt und auf ihrem Geschäftskonto belassen habe. Erst durch dieses pflichtwidrige Vorgehen sei es ihr gelungen, drei Monate nach Fälligkeit  des Herausgabeanspruchs eine Aufrechnungslage herzustellen. Auch war es pflichtwidrig gewesen, dass sie – ungeachtet des Bestehens ihrer Honorarforderungen – diesbezüglich eine Verrechnung vorgenommen habe.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts blieb erfolglos. Das Berufungsgericht argumentierte, die beklagte Versicherung sei von vorneherein nur dann leistungspflichtig, wenn ihre Versicherungsnehmerin auf Zahlung von Schaden-ersatz in Anspruch genommen wird, nicht aber bei einem Herausgabeanspruch gemäß § 667 BGB, der nicht gemäß § 1 AVB Teil des von der Beklagten versicherten Risikos sei.

Fazit

Wird Fremdgeld veruntreut, drohen dem Anwalt zahlreiche Sanktionen, strafrechtlich (§ 266 StGB), zivilrechtlich (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB) und berufsrechtlich (§ 43 a Abs. 5, 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO).

Vergreift sich der Anwalt am Fremdgeld deshalb, weil er sich selbst in finanziellen Schwierigkeiten befindet, nützen dem Mandanten diese Sanktionen oft wenig. In der Insolvenz des Anwalts ist der Mandant ungesichert und kann allenfalls mit einer Quote rechnen.

Ansprüche gegen die Berufshaftpflichtversicherung des Anwalts sind in der Regel gemäß § 51 Abs. 3 Nr. 1 und 5 BRAO ausgeschlossen.

Die Rechtsanwaltskammern können mit den ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufsichtsmitteln oft nur im Einzelfall aufgrund einer Beschwerde eines Mandanten mit einer Rüge (§ 73 BRAO) oder einem Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens (§§ 116 ff. BRAO) tätig werden. Diese Aufsichtsmittel reichen in der Regel nicht aus, um eine systematische Veruntreuung von Mandantengeldern zu erkennen und auszuschließen.

 

1 Fortsetzung zu KammerReport Hamm 2/2020, S. 8 f.
2 AGH NRW Urteil v. 01.03.2019 – 2 AGH, openJur 2020, 4993
3 Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Aufl., § 43 a BRAO Rdnr. 226, m. w. N.).
4 AnwG Köln v. 15.05.2018 – 4 AnwG 59/17
5 BGH Beschl. vom 26.11.2019 – 2 StR 588/18, NJW 2020, 1689
6 BGH NJW 2015, 1190, 1191
7 BGH NJW 2008, 1827
8 BGH NJW 2015, 1190, 1191
9 Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.07.2017 – 4 U 1/1, openJur 2020, 3355

Bildnachweis: stock.adobe.com ©vegefox-com

Diesen Artikel drucken?