erschienen im KammerReport 5-2020 | 16.12.2020
Rechtsanwältin Sonja Dercar, Essen
In den letzten Jahren sind zahlreiche Online-Anbieter und Portale zur Vergabe von Terminvertretungen auf den Markt getreten. Ziel der Dienstleistungen ist eine unkomplizierte Onlinevergabe von Terminen, die der Rechtsanwalt selbst nicht wahrnehmen kann. Die Einstellung von Terminen bei Terminsvertreterportalen erfolgt zumeist auf unkomplizierte Art und Weise und liegt allein in der Hand des terminvergebenden Rechtsanwalts. Für gewöhnlich findet man im Angebot des Anbieterportals den Ort, die Zeit, den Streitwert und das Rechtsgebiet. Das Portal erhält hierbei eine prozentuale Gebühr, die sich nach dem Wert der vereinbarten Pauschale für die Terminvergabe richtet. Verschiedene Konzepte führen zur Vergabe von Terminen, wobei eines der Konzepte Pauschalen vorsieht, die ab 50 E als Mindestvergütung eingestellt werden oder aber als offene Aufträge angeboten werden, wobei es unter den interessierten -Kollegen zu einem Wettbieten um die geringste Pauschale kommen kann.
Geschuldet dem Bemühen, die Terminvergabe online so unkompliziert wie möglich zu gestalten, werden für die Wahrnehmung der Termine über das Rechtsgebiet hinaus nur die vom vergebenden Kollegen angegebenen Informationen eingestellt, zum Beispiel Stichworte wie Sorgerecht, Dieselskandal, Strafrecht, Ordnungswidrigkeit, einvernehmliche Scheidung. Weitere Beschreibungen sind nicht notwendig. Teilweise wird auch nur das Rechtsgebiet angegeben, wie beispielsweise eine Terminvergabe am Verwaltungsgericht Münster für pauschal 200 Euro. Oftmals muss der interessierte Terminvertreter den Auftrag bereits per Mausklick bestätigen, ohne den Akteninhalt zu kennen. Dies führt dazu, dass eine erhebliche Bandbreite der Fallgestaltung im Hintergrund sein kann. Der Akteninhalt wird erst nach Annahme des Terminvergabeauftrages und der ausgeschriebenen Vergütung durch Übermittlung der Handakte oder einer Zusammenfassung für den Termin bekannt gegeben.
Nach Erfahrungsberichten fällt auf, dass oftmals ebenfalls neu am Markt tätige LegalTec-Firmen hier Gerichtstermine vergeben, bei denen der Mandant zuvor alles lediglich online abgewickelt hat ohne Kontakt zu einem Rechtsanwalt gehabt zu haben, gerne in Ordnungswidrigkeitsverfahren oder bei Scheidungen. Ob und inwieweit hier Rechtsanwälte Sachbearbeiter oder nur leitende Aufsichtspersonen waren, ist für den Terminvertreter oftmals nicht ersichtlich, möglicherweise ist er sogar der erste Rechts-anwalt, den der Mandant in seiner Rechtsangelegenheit kennenlernt.
Eine Vergabe dieser Termine zu oftmals nicht angemessenen Pauschalen ist berufsrechtlich nicht zu beanstanden, da die Regelungen des RVG hier nicht greifen. Inwieweit die Annahme solcher Aufträge auskömmlich und für den den Termin wahrnehmenden Kollegen gewinnbringend ist, hat dieser selbst zu beurteilen.
Wenn nichts anders vereinbart wird und der annehmende Rechtsanwalt quasi den Auftrag per Mausklick annimmt, ist der Terminvertreter mit der Terminwahrnehmung im Namen des Prozessbevollmächtigten beauftragt worden, sodass er grundsätzlich Erfüllungsgehilfe des Prozessbevollmächtigten wird und für diesen die Gebühr nach dem RVG verdient. In diesen Fällen wird kein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien und dem Terminvertreter begründet. Die Pflicht zur Entschädigung der Terminvertreter richtet sich nach der internen Vereinbarung zwischen dem Terminvertreter und dem Prozessbevollmächtigten (BGH Urteil vom 1.6.2006, I ZR 268/03).
Vor dem Hintergrund dieser oftmals finanziell nicht auskömmlichen Pauschalen soll die Haftung des den Auftrag annehmenden Rechtsanwalts beleuchtet werden. Hierbei sind verschiedene Fallkonstellationen zu beachten.
Grundsätzlich obliegt die Pflicht zu ordnungsgemäßem prozessualen Handeln gegenüber dem Prozessgericht dem zum Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalt, nicht dem Verkehrsanwalt. Verletzt der Prozessbevollmächtigte diese Pflicht, haftet der Verkehrsanwalt nicht nach § 278 BGB. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten zu überwachen (BGH, 17.12.1987 -IX ZR 41/86).
Ein Haftungsrisiko bei Verschulden des Prozessbevollmächtigten, weil der Terminvertreter mangels entsprechender Information im Termin nicht vollständig vortragen kann oder nicht alles Erforderliche geltend macht, würde in den Haftungsbereich des beauftragenden Rechtsanwalts fallen.
Allerdings kann die Verletzung der Aufklärungspflicht über Mehrkosten bei einer Tätigkeit als Korrespondenz-anwalt möglicherweise zum Verlust eines Vergütungsanspruches wegen Aufklärungspflichtverletzungen führen (OLG Koblenz am 20.10.1992 -3 U 1884/91). Unterschiede ergeben sich, wenn die Partei den Terminvertreter in Untervollmacht beauftragt. Hier sind Kosten gemäß dem RVG der Partei in Rechnung zu stellen. Es läge ein Auftragsverhältnis auch zwischen dem Terminvertreter und der Partei vor, welches Haftungsrisiken begründen kann. Dies betrifft beispielsweise Prozesshandlungen des Terminvertreters ohne Absprache, wie Vergleichsabschlüsse ohne Widerrufsfrist.
Schließt der Terminvertreter einen unwiderruflichen Vergleich, auch mit Rücksprache der anwesenden Partei und handelt mangels Weitergabe von Informationen oder Rücksprache mit dem terminvergebenden Rechtsanwalt hierbei rechtsfehlerhaft, entsteht aufgrund des Missachtens der Pflichten des neuen Auftragsverhältnisses eine Haftung des Terminvertreters. Denkbar ist diese Konstellation bei der Wahrnehmung von Scheidungsterminen und Vergleichen über den Versorgungsausgleich. Zudem kann in dieser Hinsicht auch eine Haftung gegenüber dem beauftragenden Rechtsanwalt bestehen, denn das Vertrags- und Auftragsverhältnis zwischen dem beauftragenden Rechtsanwalt und dem Terminvertreter wäre möglicherweise verletzt.
Die Schlussfolgerung für die Terminvergabe und Annahme generell, aber in besonderer Weise online durch Mausklick bedeutet, dass eine Auftragsannahme per Mausklick zunächst eine Haftung des Terminvertreters generell ausschließt. Im weiteren Verfahren sollte allerdings über den ein-fachen Mausklick, der die Auftragsannahme auslöst, eine umfassende Sachverhaltsermittlung durch den Terminvertreter stattfinden, um eigene Haftungsrisiken bei teilweise unangemessenen Pauschalen für die Terminwahrnehmung auszuschließen.
Unwiderrufliche Vergleiche sollten überhaupt nicht abgeschlossen werden, auch nicht in Anwesenheit der Partei. Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit, ins Verhandlungsprotokoll aufnehmen zu lassen, dass der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts geschlossen wurde und die Partei auf eine Widerrufsklausel ausdrücklich verzichtet hat.
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