erschienen im KammerReport 2-2020 | 31.03.2020
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Rechtsanwaltskammer Kassel
RAin Gisela Falk, Marburg
I. Einführung
Der Rechtsberatungsmarkt ist in Turbulenzen geraten, nachdem wirtschaftlich interessante Geschäftsmodelle durch die Möglichkeiten des sogenannten Legal Tech entstanden sind. Die in den USA seit langer Zeit bekannte kollektive Durchsetzung von Ansprüchen bei Massenschäden bieten dort hohe Gewinnmargen. Eine Studie der OECD hält 41 % der weltweiten Arbeitsplätze im Sektor Rechtsberatung für durch Automatisierung bedroht. Die einfache Verfügbarkeit von Internet-Suchmaschinen und juristischen Frage-Antwort-Plattformen hat den Zugang zu Rechtsinformationen seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts stark vereinfacht und teils von der Anwaltschaft gelöst. Nach Schätzungen bearbeiten Legal-Tech-Inkassodienstleister ihre Fälle mit einem Zehntel der Arbeitskraft, die in Anwaltskanzleien erforderlich wäre.
Auch in Deutschland versuchen registrierte Inkassounternehmen zunehmend kommerzielle Geschäftsmodelle durchzusetzen, bei denen die beabsichtigte Rechtsdurchsetzung mit einer Prozessfinanzierung und einer erfolgsbezogenen Vergütung kombiniert werden. So betreibt beispielsweise die financialright GmbH die Onlineplattform myright, die Verbrauchern Hilfe anbietet, um ihre Rechte aus Kaufverträgen über Kraftfahrzeuge insbesondere im Hinblick auf den VW-Abgasskandal wahrzunehmen. Der Anbieter, der eine Inkassoerlaubnis nach § 10 RDG besitzt, lässt sich mögliche Schadensersatzansprüche treuhänderisch abtreten und verspricht deren gerichtliche Durchsetzung gegen die Zahlung einer Provision von 35 % des erstrittenen Zahlungsbetrages. Die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche erfolgt in diesen Fällen im Wege der Klagehäufung, in denen die gleichartigen Ansprüche verschiedener Geschädigter an den Anbieter abgetreten und von diesem im Rahmen einer Klage zusammengefasst werden. Bezahlt wird der Anbieter nur im Erfolgsfall; bei einem Misserfolg der Klageverfahren übernimmt er sämtliche Kosten. Im Falle eines Prozessvergleichs ist der Kunde frei, selbst zu entscheiden, ob er entweder auf eigenes Risiko weiter prozessieren will (der Vertrag mit dem Anbieter wird dann gekündigt, der Kunde wieder selbst Forderungsinhaber) oder den Vergleich annimmt.
Je nach Geschäftsmodell werben die Anbieter im Kern damit, dass für die Kunden mit Ausnahme der vereinbarten Provision keine Kosten, insbesondere keine Gerichts- und Anwaltskosten im Falle des Unterliegens entstehen. Es handelt sich also nicht um die altbekannte Inkassodienstleistung, sondern es geht vor allem um eine Prozessfinanzierung gegen Erfolgsbeteiligung. Rechtsanwälten sind vergleichbare Dienstleistungen gesetzlich verboten. Sie können mit diesen Geschäftsmodellen schon im Ausgangspunkt nicht konkurrieren.
II. Rechtliche Streitfragen
Bisher war die Zulässigkeit einer derartigen Rechtsdurchsetzung mit Prozessfinanzierung und Erfolgshonorar hoch umstritten. Unstreitig war lediglich der Ausgangspunkt, dass es bei den im Rahmen dieser Geschäftsmodelle geschuldeten Tätigkeit um erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 2 RDG geht.
Die einschlägigen Normen lauten auszugsweise:
§ 2
Begriff der Rechtsdienstleistung
(1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
(2) Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Abgetretene Forderungen gelten für den bisherigen Gläubiger nicht als fremd.
(3) […]
§ 3
Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen
Die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.
§ 4
Unvereinbarkeit mit einer anderen Leistungspflicht
Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, dürfen nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird.
§ 10
Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde
(1) Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:
1. Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1),
2. […],
3. […].
Die Registrierung kann auf einen Teilbereich der in Satz 1 genannten Bereiche beschränkt werden, wenn sich der Teilbereich von den anderen in den Bereich fallenden Tätigkeiten trennen lässt und der Regis-trierung für den Teilbereich keine zwingenden Gründe des Allgemein-interesses entgegenstehen.
(2) Die Registrierung erfolgt auf Antrag. Soll die Registrierung nach Absatz 1 Satz 2 für einen Teilbereich erfolgen, ist dieser im Antrag zu bezeichnen.
(3) Die Registrierung kann, wenn dies zum Schutz der Rechtsuchenden oder des Rechtsverkehrs erforderlich ist, von Bedingungen abhängig gemacht oder mit Auflagen verbunden werden. […].
§ 12
Registrierungsvoraussetzungen
(1) Voraussetzungen für die Registrierung sind
1. persönliche Eignung und Zuverlässigkeit; […],
2. theoretische und praktische Sachkunde in dem Bereich oder den Teilbereichen des § 10 Abs. 1, in denen die Rechtsdienstleistungen erbracht werden sollen,
3. […].
(2) […]
Nach bisheriger Auffassung der Bundesregierung soll zur Regulierung des entsprechenden Beratungsmarktes die Orientierung am geltenden Recht des RDG ausreichen; es müsse von den Gerichten lediglich zur Anwendung gebracht werden. Das anwaltliche Berufsrecht sei jedenfalls auf Inkasso-dienstleister nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers weder unmittelbar noch analog anwendbar. Aus diesem Grund dürften Inkassodienstleister rechtliche Ansprüche beitreiben und durchsetzen. Auch die gleichzeitige Übernahme von Inkassodienstleistungen und Prozessfinanzierung stelle keinen Interessenkonflikt i. S. v. § 4 RDG dar. Abgesehen davon könne dieses Hindernis durch die schlichte Einwilligung des Kunden überwunden werden.
Nach einer den neuen Geschäftsmodellen kritisch gegenüberstehenden Auffassung handelt es sich dagegen um eine Zweckentfremdung der erteilten Inkassoerlaubnis. Über die nur formale Einschaltung eines Inkassodienstleisters würden die mandantenschützenden anwaltlichen Berufspflichten der BRAO ausgehebelt. Damit sei zugleich § 3 RDG verletzt, der bestimmt, dass die selbstständige Erbringung von außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig ist, in dem sie durch das RDG oder andere Gesetze erlaubt sind. Auch im Hinblick auf § 4 RDG werden Bedenken geäußert, weil das Dienstleistungspaket trotz eines immanenten Interessenkonflikts auch die Finanzierung der prozessualen Forderungsdurchsetzung umfasse. Schließlich fehlten prozessfinanzierenden Inkassodienstleistern die persönliche Eignung im Sinne von § 12 Abs. 1 RDG.
Damit übereinstimmend wurde noch auf der Konferenz der Landesjustizminister im Frühjahr 2019 ein Bericht vorgelegt, in dem gefordert wurde, dass Legal-Tech-Portale, die Rechtsdienstleistungen anbieten oder erbringen, von der Anwaltschaft betrieben werden müssten. Der Deutsche Anwaltverein hat daran anknüpfend betont, dass eine individuelle rechtliche Prüfung und Beratung der Anwaltschaft vorbehalten sein müsse, schon aus Gründen der Qualitätssicherung und des Verbraucherschutzes. Ein Schutzbedürfnis bestehe auch dann, wenn die Rechtsdienstleistung unter Einsatz von digitalen Systemen erfolge. Es dürfe keinen Rechtsdienstleistungsberuf unterhalb der Schwelle der Anwaltschaft geben. Dementsprechend sieht der DAV den Vorschlag der Landesjustizminister kritisch, das Fremdkapitalverbot an Rechtsanwaltsgesellschaften zu lockern, um Investments in anwaltliche Legal-Tech-Angebote zu ermöglichen. Das Verbot reiner Kapitalbeteiligungen an Anwaltsgesellschaften sei zur Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit auch weiterhin erforderlich.
III. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. November 2019
Im November 2019 hat der BGH nun erstmals eine Grundsatzentscheidung getroffen, ob und wenn ja welche Tätigkeiten von Legal-Tech-Unternehmen unter das Rechtsdienstleistungsgesetz fallen (BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18).
Es ging um die von Lexfox betriebene Seite wenigermiete.de, die nach einem ähnlichen Geschäftsmodell wie das unter myright.de zuvor vorgestellte arbeitet. Dieser Anbieter wirbt unter anderem damit, Rechte von Wohnraummietern aus der Mietpreisbremse „ohne Kosten“ durchzusetzen.
Der Fall:
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit begrenzter Haftung, die über eine Registrierung gemäß § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, macht aus abgetretenem Recht des Wohnraummieters gegenüber der beklagten Vermieterin wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB) Auskunftsansprüche sowie Ansprüche auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten geltend.
Die Beklagte vermietete ab dem 01.12.2015 eine 56 qm große Wohnung in Berlin an den Mieter B. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete beträgt 371,57 E (= 6,64 E/m²). Die Wohnung liegt nach der am 01.06.2015 in Kraft getretenen Mieten-begrenzungsverordnung des Landes Berlin in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne des § 556d Abs. 1, 2 BGB. Die ortsübliche Vergleichsmiete für diese Wohnung – zuzüglich 10 % (§ 556d Abs. 1 BGB) – beläuft sich nach dem Berliner Mietspiegel 2015 auf 346,81 E.
Der Mieter B. beauftragte die Klägerin – unter Einbeziehung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen – mit der Durchsetzung etwaiger Ansprüche gegen die Beklagte wegen Verstoßes gegen die Miethöhenbegrenzung (§ 556d BGB) und trat dazu diese Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab. Mit Schreiben vom 20.03.2017 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten – unter Berufung auf die vorgenannte Beauftragung und Abtretung – gemäß § 556g Abs. 2 BGB [aF] einen Verstoß gegen die Vorschriften der Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung, da die (Nettokalt-)Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete um 17,85 % überstiegen und damit um 24,76 € höher gelegen habe als die gemäß § 556d Abs. 1 BGB zulässige Höchstmiete von hier 346,81 € (ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich 10 %).
Die Klägerin verlangte mit diesem Schreiben unter Fristsetzung zum einen Auskunft über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete sowie über vorangegangene Mieterhöhungen und durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen, zum anderen begehrte sie die Rückerstattung der künftig über den vorgenannten zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung der Beklagten, dass die künftig fällig werdende Miete auf den Höchstbetrag herabgesetzt werde. Der Mieter zahlte in der Folge die im Mietvertrag vereinbarte monatliche Miete unter Vorbehalt. Nach Ablauf der von ihr gesetzten Frist wiederholte die Klägerin mit Schreiben vom 06.04.2017 ihre vorstehend genannten Begehren und verlangte mit erneuter Fristsetzung unter anderem die Rückerstattung von jeweils 24,76 € zu viel gezahlter Miete für den dem Rügeschreiben vom 20.03.2017 nachfolgenden Monat und die künftigen Monate.
Mit der Klage verlangte die Klägerin die bereits erwähnte Auskunftserteilung sowie die Rückzahlung des die zulässige Höchstmiete übersteigenden Betrages von 24,76 E für einen Monat im Jahr 2017 und die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 166,90 E. Nachdem die Beklagte im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens die begehrte Auskunft erteilt hatte, erklärte die Klägerin den Auskunftsantrag einseitig für erledigt, nahm die Klage hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs in Höhe von 1,27 € teilweise zurück und beantragte insoweit nur noch die Zahlung von 23,49 €.
Anders als die Vorinstanzen entschieden hatten, hält der Bundesgerichtshof die Vereinbarkeit der von der Klägerin erbrachten Dienstleistung mit dem RDG für gegeben.
Mit dieser höchstrichterlichen Entscheidung wird festgestellt:
- Der Begriff der Rechtsdienstleistung in Gestalt der Inkassodienstleistung ist nicht in einem zu engen Sinne zu verstehen. Vielmehr sei – so der BGH – innerhalb des mit dem RDG verfolgten Schutzzwecks, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, eine eher großzügige Betrachtung geboten. Zur Begründung wird auf die vom Gesetzgeber mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz – in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – verfolgte Zielsetzung einer grundlegenden, an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichteten, die Entwicklung neuer Berufsbilder erlaubenden Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen verwiesen.
- Für die Beurteilung, ob sich die Tätigkeit eines registrierten Inkassodienstleisters innerhalb seiner Inkassodienstleistungsbefugnis gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG halte, lasse sich kein allgemeiner Maßstab definieren. Es sei stets eine am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen notwendig.
- Überschreite ein registrierter Inkassodienstleister danach seine Inkassodienstleistungsbefugnis, könne darin ein Verstoß gegen § 3 RDG liegen.
- Ein solcher Verstoß könne nach § 134 BGB die Nichtigkeit der zwischen dem Inkassodienstleister und dessen Auftraggeber getroffenen Inkassovereinbarung einschließlich einer in diesem Zusammenhang erfolgten Forderungsabtretung zur Folge haben; dies setze voraus, dass bei einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände aus der objektivierten Sicht eines verständigen Auftraggebers des Inkasso-dienstleisters die Überschreitung der Befugnis eindeutig vorliege und unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes in ihrem Ausmaß als nicht nur geringfügig anzusehen sei.
Von einer Nichtigkeit nach § 134 BGB ist danach insbesondere dann regelmäßig auszugehen, wenn der registrierte Inkassodienstleister Tätigkeiten vornimmt, die von vornherein nicht eine Forderungseinziehung i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG zum Inhalt haben, sondern etwa
- auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sind
- oder eine über den erforderlichen Zusammenhang mit der Forderungseinziehung hinausgehende Rechtsberatung zum Gegenstand haben
- oder wenn das „Geschäftsmodell“ des Inkassodienstleisters zu einer Kollision mit den Interessen seines Auftraggebers führt.
Davon ausgehend sieht es der BGH als von der Inkassodienstleistungsbefugnis eines nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierten Inkasso-dienstleisters (noch) gedeckt an, wenn dieser auf seiner Internetseite einen „Mietpreisrechner“ zur – zunächst unentgeltlichen – Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete zur Verfügung stellt und im Anschluss hieran dem Mieter die Möglichkeit gibt, ihn durch Anklicken eines Buttons mit der außergerichtlichen Durchsetzung von Forderungen gegen den Vermieter zu beauftragen; dies gelte auch für die Vereinbarung eines Erfolgshonorars in Höhe eines Drittels der jährlichen Mietersparnis und der Freihaltung des Mieters von sämtlichen Kosten. Nicht zu beanstanden sei auch die weitere Vereinbarung, die genannten Ansprüche zum Zweck der Durchsetzung treuhänderisch an den Inkassodienstleister abzutreten, der im Falle einer Erfolglosigkeit der eigenen außergerichtlichen Rechtsdienstleistungstätigkeit einen Vertragsanwalt mit der Durchsetzung der Ansprüche beauftragen könne; zum Abschluss eines Vergleichs benötige er jedoch grundsätzlich die Zustimmung des Mieters.
Bei einer solchen Vertragsgestaltung verstoße die treuhänderische Abtretung der genannten im Zusammenhang mit der „Mietpreisbremse“ stehenden Forderungen des Mieters (noch) nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 RDG); sie sei daher auch nicht gem. § 134 BGB nichtig. Der Inkassodienstleister sei aus diesem Grund im gerichtlichen Verfahren aktiv legitimiert, diese Ansprüche im Wege der Klage gegen den Vermieter geltend zu machen.
IV. Rechtspolitischer Ausblick
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat viele Juristinnen und Juristen insbesondere aus der Anwaltschaft überrascht. Entsprechend groß sind die Unsicherheiten, wie mit der dadurch geschaffenen Rechtslage umzugehen ist. Damit verbunden stellen sich zahlreiche Fragen hinsichtlich berufsrechtlicher und rechtspolitischer Aspekte, die hier nicht umfassend dargestellt werden können. Der Beitrag versteht sich daher in erster Linie als Anregung zur Diskussion in der Anwaltschaft.
Zunächst: Man wird nicht ernsthaft bestreiten können, dass Legal-Tech-Geschäftsmodelle einen Beitrag zur Durchsetzung von Verbraucherrechten leisten können. Gerade die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Mietrechtsplattform macht eines sehr deutlich: Welcher Anwalt wird bei derartigen Streitwerten das Mandat gerne übernehmen bzw. unter wirtschaftlichen Aspekten übernehmen können. Eine Gebührenvereinbarung scheidet im Regelfall aus, eher wird es um Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe gehen. Umgekehrt dürften viele Betroffene Angst vor den Kosten haben und daher darauf verzichten, derartige Forderungen über einen Anwalt durchzusetzen. Anzuerkennen ist daher, dass die neuen Geschäftsmodelle in vielen Fällen den Zugang zum Recht erst schaffen.
Neben dem Zugang zum Recht geht es aber rechtspolitisch vor allem um eine Sicherung der Qualität der Rechtsdienstleistung. Die Konkurrenz zu den neuen Geschäftsmodellen macht einerseits einmal mehr die Notwendigkeit einer anwaltlichen Spezialisierung deutlich, um fundiertes Fachwissen anbieten zu können. Andererseits wird man durchaus darüber streiten können, ob ein durchschnittlich spezialisierter Fachanwalt für Mietrecht in jedem Fall besseren Rechtsrat anbieten kann als ein nichtjuristisch organisierter Legal-Tech-Anbieter mit der Erfahrung aus 10.000 Mietrechts-Fällen.
Bislang ist Qualitätssicherung der juristischen Dienstleistung im Wesentlichen über die Berufszugangsvoraussetzungen und durch echten Wettbewerb bei der Rechtsberatung gewährleistet worden. Diese Instrumente funktionieren aber nicht mehr, wenn das Anwaltsmonopol nur noch auf dem Papier steht und einzelne nicht anwaltliche Anbieter im Rechtsdienstleistungsmarkt mit aus Übung gewonnenen Erkenntnissen erhebliche Gewinne einfahren, die selbst der fachlich versierte Anwalt nicht generieren und somit mit dem Gesamtangebot der Legal-Tech-Unternehmen nicht konkurrieren kann. Stattdessen soll er die Rechtsberatung seriös im Rahmen der Beratungshilfe leisten.
Es erscheint im Lichte dieses Urteils daher fraglich, ob das eher konservative anwaltliche Berufsbild, das der Gesetzgeber mit dem Erlass des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) noch vor zwölf Jahren explizit bestätigt hat, nicht doch zumindest vorsichtiger Modifikationen bedarf.
Zweifellos sollte die Anwaltschaft darauf bestehen, dass das Anwaltsmonopol bei der Rechtsberatung schon zur Sicherung der eigenen Existenz und aus Gründen des Verbraucherschutzes wenigstens im Grundsatz uneingeschränkt erhalten bleibt. Allerdings gilt es dabei zu berücksichtigen, dass dieses Monopol schon durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum früheren Rechtsberatungsgesetz in gewisser Weise durchbrochen war. In der Konsequenz dieser Rechtsprechung dürfen Legal-Tech-Anbieter, die nach der aktuellen BGH-Entscheidung unter § 10 RDG fallen, ihre Kunden durchaus darüber beraten, ob und unter welchen Voraussetzungen ihnen eine Forderung zusteht. Die Zulässigkeitsgrenze dürfte – hoffentlich! – de lege lata erst dort überschritten sein, wo bspw. die Ausübung von Gewährleistungsrechten aus einem Kaufvertrag, die Erklärung eines Widerrufs aus einem Darlehensvertrag oder eine anspruchsvoraussetzende Rüge gegenüber dem Vertragspartner notwendig ist, um einen schuldrechtlichen Anspruch des Kunden zu generieren.
De lege ferenda müssen die Berufsausübungsregeln bedacht werden. Das kann in der Weise geschehen, dass die Legal-Tech-Anbieter bei der Erbringung ihrer Rechtsdienstleistung identischen Anforderungen etwa in Fragen der Vergütung, Werbung, Haftung und der Interessenkonflikte unterworfen werden, wie andere zu Erwerbszwecken tätige Rechtsdienstleister auch. Alternativ ist an eine weitere Lockerung des in § 49b Abs. 2 und 3 BRAO enthaltenen grundsätzlichen Verbots von Erfolgshonoraren und Vermittlungsprovisionen zu denken.
Die weitere Entwicklung des Marktes der Rechtsdienstleistungen sollte jedenfalls nicht allein der Rechtsprechung überlassen werden. Eine rechtspolitische Diskussion über die Beibehaltung des Anwaltsmonopols in Abgrenzung zu den viel beschworenen amerikanischen Verhältnissen ist geboten und sollte von der Anwaltschaft von vornherein engagiert geführt werden.
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