erschienen im KammerReport 2-2023 | 24.03.2023
RAin Dr. Sonja Sojka, RA Franz Heinz
Mitglieder im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Nürnberg
Wir nehmen die Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 27.10.2022 – 3 W 111/22 und des VG Halle vom 15.11.2021 – 5 A 235/21 zum Anlass, uns noch einmal mit der Verwendung der einfachen und qualifizierten elektronischen Signatur auseinanderzusetzen.
Alle, die ihre Schriftsätze bereits ausschließlich qualifiziert signieren, können die kommenden Seiten getrost überblättern oder zur Bestätigung, sich auf der sicheren Seite zu befinden, doch noch einmal lesen.
Mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) stehen wir vor dem grundsätzlichen Problem, dass die analoge Signatur mit Füllfederhalter auf Papier in eingescannter Fassung ihre Wirkung als eigenhändige Unterschrift verliert.
Die qualifizierte elektronische Signatur
Vollwertigen Ersatz für die klassische analoge Signatur bietet die qualifizierte elektronische Signatur (qeS). Diese wird mittels einer Signatursoftware (z. B. SecSigner oder Governikus DATA Boreum oder auch in beA bzw. Ihre Anwaltssoftware integriert) als im PDF integrierte oder beizufügende Signaturdatei erzeugt und gewährleistet die Authentizität des Textdokuments und die Verantwortungsübernahme für dessen Inhalt.
Mit einer qeS versehene Dateien gelten als valide unterzeichnet und können im elektronischen Rechtsverkehr wie unterschriebene Dokumente im analogen Rechtsverkehr verwendet werden. Dies gilt sowohl in der Kommunikation mit Behörden und Gerichten, gilt aber auch in der Kommunikation mit Kollegen (innerhalb und außerhalb beAs), mit Gerichtsvollziehern und Mandanten.
Voraussetzung für das Anbringen der qeS ist, dass Sie über eine Signaturkarte verfügen, die ein Signaturzertifikat enthält. Alternativ kann die qeS mit Ihrer Signaturkarte per Fernsignatur erzeugt werden.
Zertifizierte Anbieter, die Ihnen nach wie vor die Möglichkeit bieten, offline zu signieren, finden Sie auf der Seite der BNotK: https://www.bea-brak.de/xwiki/bin/view/BRAK/%2300013
Die neuen beA-Signaturkarten unterstützen diese Offlinesignatur nicht mehr. Mit ihnen ist stattdessen nur noch die Möglichkeit gegeben, eine Fernsignatur zu erzeugen.
Kostentechnisch liegen alle Karten zur Erzeugung einer qeS im Bereich von 50,– bis etwa 100,– Euro pro Jahr.
Ob Sie sich für die Fernsignatur der BNotK oder eine Signaturkarte mit Offlinefunktionalität entscheiden, steht Ihnen völlig frei. Auf ein paar Unterschiede darf aber kurz hingewiesen werden:
- Bei der klassischen Signaturkarte befindet sich das Signaturzertifikat physisch auf Ihrer Karte. Es besteht damit die Gefahr, dass Ihnen Karte und Zertifikat abhandenkommen. Bei der Fernsignatur liegt die Signaturdatei auf einem Server und kann Ihnen damit nicht abhandenkommen. Durch die zentrale Sammlung besteht aber die Gefahr von Cyberangriffen auf diese Infrastruktur, mit denen dann eine Vielzahl von Signaturzertifikaten abgegriffen werden können.
- Bei der klassischen Signatur findet der Signaturprozess lokal auf Ihrem Rechner statt. Hierfür benötigen Sie eine Signatursoftware, die Sie entweder standalone installieren müssen oder die bereits in Ihrer Anwaltssoftware bzw. der Webanwendung von beA integriert ist. Für das Signieren ist keine Internetverbindung notwendig.
- Bei der Fernsignatur sind für den Signaturprozess zwingend eine Internetverbindung und eine Erreichbarkeit des Zertifikatsservers erforderlich. Können Sie keine Internetverbindung herstellen oder ist der Zertifikatsserver nicht erreichbar, können Sie Ihre Schriftsätze nicht signieren. Wichtig ist dies insofern, als die Unmöglichkeit der Signaturanbringung keine technische Übertragungsunmöglichkeit im Sinne des § 130d Satz 2 ZPO darstellt und damit auch nicht die Möglichkeit eröffnet wird, auf Telefax oder analogen Schriftsatz auszuweichen (vgl. Beschluss des OLG Düsseldorf vom 23.03.2022 – 12 U 61/21).
- Bei der Fernsignatur werden Signaturkarten verwendet, die nicht mit allen Tätigkeitsbereichen kompatibel sind. Gerade Kollegen aus dem Marken- und Patentrecht werden feststellen, dass die neuen Karten der BNotK vom DPMA nicht unterstützt werden.
Die einfache Signatur
Die einfache Signatur ist schlicht Ihr Name unter dem Schriftsatz. Es reicht völlig, wenn dieser maschinenschriftlich ausgeschrieben ist; wenn Sie eine eingescannte Unterschrift verwenden wollen, sollten Sie sicherstellen, dass der Name leserlich ist. Die Leserlichkeit Ihres Namens ist notwendige Voraussetzung für die einfache Signatur (Beschluss des BSG vom 16.02.22 – B 5 R 198/21 B).
Da freilich die Anbringung Ihres Namens kein Hexenwerk ist, hat die einfache Signatur alleine auch keinerlei rechtliche Wirkung. Erst aus dem Zusammenspiel mehrerer Komponenten wird – und das auch nur in bestimmten Szenarien – eine rechtsverbindliche Unterschrift dadurch quasi fingiert.
Geregelt sind diese Ausnahmetatbestände z. B. in § 130a ZPO, § 55a VwGO, § 32a StPO, § 65a SGG, § 52a FGO und § 46c ArbGG. Liegen die folgenden Voraussetzungen kumulativ vor, dann können Sie auch ohne Anbringung einer qeS formwirksam am ERV teilnehmen:
- Aufgrund einer einfachen Signatur ist erkennbar, wer für den Schriftsatz die Verantwortung übernimmt.
- Der Schriftsatz wird von der Person, die sich aus der einfachen Signatur ergibt, aus ihrem eigenen beA-Postfach eigenhändig und direkt an den Empfänger übermittelt.
- Für das konkrete Anwendungsszenario gibt es eine gesetzliche Ausnahmevorschrift zur Verwendung der qeS.
Sie sehen schon, in einer Vielzahl von Fällen können oder könnten Ihre Schriftsätze auch ohne Anbringung einer qeS wirksam übermittelt werden. Voraussetzung ist nur, dass Sie dies selbst aus Ihrem Postfach machen. Versenden Sie nicht selbst, sondern lassen Ihr Personal versenden, dann ist das nicht nur unwirksam, sondern (so VG Freiburg, Beschluss vom 28.09.2022 – A 13 K 2458/22) auch grob sorgfaltswidrig.
Sie sehen aber auch, dass es sich bei diesen Vorschriften um Ausnahmevorschriften handelt und in einer Vielzahl von Fällen kein formwirksamer Unterschriftsersatz vorliegt. Dies betrifft die gesamte Kommunikation mit Ihren Mandanten, mit Kollegen und mit Behörden, soweit keine Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 VwVfG erlassen wurde.
Vorsicht ist insofern besonders in den Fällen geboten, in denen im ERV ein schriftformbedürftiger Widerspruch oder Einspruch ohne qeS eingelegt werden soll.
Zusammenfassend lässt sich also bereits an dieser Stelle sagen, dass der Verzicht auf die qeS in Teilbereichen möglich ist, jedoch erhebliche Haftungsrisiken in sich trägt. Nicht nur vor dem Hintergrund, dass Sie den Kanzleiablauf der Postabfertigung einschließlich aller damit zusammenhängenden Prüfungspflichten nicht mehr delegieren können, kann jeder Kollegin und jedem Kollegen nur empfohlen werden, eine qualifizierte elektronische Signatur zu verwenden.
Besonders problematisch wird es immer, wenn im Rahmen der ERV Erklärungen abgegeben werden, die aus formaler oder materieller Hinsicht unwirksam sind oder werden. Besonders problematisch wird es auch, wenn Fehler gemacht werden und Sie sich durch die Wahl der „nur“ einfachen Signatur um die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung bringen.
Keine Wiedereinsetzung, da keine Delegation
In jüngster Zeit sind eine Reihe obergerichtlicher Entscheidungen ergangen, die sich mit den Sorgfaltspflichten rund um den Postausgang im ERV befassen.
So entschied der BGH in seinem Beschluss vom 30.11.2022 – IV ZB 17/22, dass grundsätzlich dieselben Voraussetzungen für den Versand im ERV wie auch für den Faxversand gelten. Insbesondere müsse der richtige Empfänger ausgewählt und dies auch kontrolliert werden. Zur Formunwirksamkeit weitergeleiteter Nachrichten weiter unten.
Die Prüfungspflichten im Rahmen der Postausgangskontrolle beinhalten nach dem Beschluss des BGH vom 20.09.2022, XI ZB 14/22 aber auch, dass geprüft wird, ob die Nachricht erfolgreich auf dem Intermediär des Empfängers eingegangen ist („Übertragungsstatus erfolgreich“), und zusätzlich die Kontrolle, dass auch wirklich die zu übermittelnden Dateien vollständig in der Nachricht enthalten waren.
Werden also beim Versand Fehler gemacht, hilft in der Regel nur der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. An dieser Stelle können nun alle Strafverteidiger – aber eben auch nur diese – aufatmen, da ihren Mandanten das Anwaltsverschulden nicht zugerechnet wird. Alle anderen Kollegen müssen nachvollziehbar darlegen, dass sie die Kontrolle der Ausgangspost einer gewissenhaften, ordentlich in ihre Pflichten eingewiesenen und immer wieder kontrollierten Mitarbeiterin oder Mitarbeiter übertragen haben. Nur dann, wenn das Verschulden also nicht beim Anwalt, sondern auf Sekretariatsebene eintritt, wird der Wiedereinsetzungsantrag Erfolg haben können.
Und genau an dieser Stelle bringen Sie sich um die Möglichkeit der Wiedereinsetzung, wenn Sie selbst aus Ihrem Postfach versenden und damit die Abfertigung der Ausgangspost und deren Kontrolle nicht mehr auf Ihr Sekretariat delegieren.
Nicht nur vor dem Hintergrund der Arbeitsersparnis auf Anwaltsebene spricht daher viel für die Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur.
Formunwirksamkeit bei Weiterleitung
Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der einfachen Signatur ergibt sich, wenn Ihr Schriftsatz beim falschen Empfänger landet und von dort aus – sogar fristgerecht – an den richtigen Empfänger weitergeleitet wird.
Während dies in Fällen der Verwendung einer qeS unproblematisch ist, stellt sich die Frage, ob die mittelbare Übersendung (selbst im Bereich der Justiz) einer nur mit einfacher Signatur versehenen Nachricht dazu führt, dass die Unterschriftenfiktion der Prozessordnungen unterbrochen und damit der gesamte Schriftsatz formunwirksam wird.
Während man über diesen Punkt trefflich streiten kann, gibt es bereits erste Instanzentscheidungen, die von einer Unzulässigkeit derart eingereichter Anträge ausgehen, da dem Empfängergericht dann aufgrund des ihm vorliegenden Transferprotokolls die Prüfung, ob der Versand auf einem sicheren Übertragungsweg erfolgte, nicht möglich ist.
So wurde dem VG Halle eine an das VG Halle adressierte, aber per beA an das AG Halle übersandte Klageschrift in dem Verfahren 5 A 235/21 fristgerecht weitergeleitet. Das Dokument war nur mittels einfacher Signatur unterzeichnet und vom Anwalt selbst aus dessen Postfach (und mithin auf sicherem Übertragungsweg) an das AG Halle versandt worden.
Das VG Halle hat die so erhobene Klage als unzulässig, weil formunwirksam, abgewiesen.
Durch die eigene Versendung wird ein Vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (VHN) erzeugt, mit dem sich der sichere Übertragungsweg nachweisen lässt.
Wird die Nachricht jedoch nicht direkt, sondern über einen Dritten an den Empfänger geleitet, wird dieser Weg unterbrochen. Ein Zwischenschalten einer anderen Stelle ist im ERV nicht vorgesehen. Dem VG Halle wird dann nämlich nur der VHN des AG Halle (als letzter Absender) und eben nicht auch der VHN des Klägers (als ursprünglicher Absender) übermittelt.
Das weiterleitende Amtsgericht wird damit wie ein Sekretariat oder ein sonstiger Dritter behandelt, der eine Nachricht weiterleitet. Jedenfalls stammt die beim VG eingehende Nachricht nicht aus dem Postfach des die Klage zu verantwortenden Kollegen (einfache Signatur), sodass die Formvoraussetzungen eben nicht vorlagen, der VHN selbst ist nicht verkehrsfähig.
Angesichts der nicht einheitlichen und teils auch missverständlichen Benennungen der Gerichte im Verzeichnisdienst des EGVP, welcher letztendlich über das Adressbuch des beA ausgelesen wird, dürften diese Fälle häufiger auftreten.
Grundsätzlich ist dies auch nicht weiter schlimm, denn es gibt ja noch das Mittel der Wiedereinsetzung. Allerdings nicht für die Kollegen, die die einfache Signatur verwenden, da eine Delegation der Abfertigung der Ausgangspost in deren Kanzleiablauf nicht vorliegt.
Keine Festsetzungsanträge nach RVG möglich
Und die letzte Entscheidung für diese Ausgabe ist die schon eingangs angesprochene Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 27.10.2022 – 3 W 111/22, in der es um einen Kostenfestsetzungsantrag nach § 11 RVG ging, der „nur“ mit einfacher Signatur eingereicht wurde.
In diesem Fall trat das OLG der Auffassung der Rechtspflegerin bei, wonach der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG, wonach der Antrag eine vom Anwalt unterzeichnete Berechnung der festzusetzenden Gebühren beinhalten müsse, eindeutig sei.
Zwar könnten die formalen Voraussetzungen der Antragseinreichung über § 130a ZPO noch als erfüllt angesehen werden, die materiellen Voraussetzungen des § 10 RVG aber nicht. Der Festsetzungsantrag muss folglich mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein, da die auf die Abgabe prozessualer Erklärungen beschränkte Vorschrift des § 130a ZPO die förmlichen Voraussetzungen für die Abgabe von materiellrechtlichen Erklärungen nicht berührt.
Falls auch Sie hin und wieder Kosten festsetzen lassen, sollten Sie dies im Hinterkopf behalten und überlegen, ob Sie Ihre Schriftsätze mit einer vollwertigen qeS statt einer einfachen Signatur unterzeichnen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass der Gesetzgeber mit den Ausnahmevorschriften um die einfache Signatur eine bequeme und in einigen Fällen auch sicher sinnvoll einzusetzende Möglichkeit geschaffen hat, formwirksame Erklärungen ohne Signaturkarte abgeben zu können.
Er hat damit aber zugleich eine ganze Reihe von Haftungsfallen geschaffen und die Vielzahl der Einzelregelungen lässt einen leicht übersehen, dass die einfache Signatur gerade keine vollwertige Unterschrift darstellt und in einer Vielzahl von Fallkonstellationen schlicht zu nichts zu gebrauchen ist.
Wir können Ihnen daher – falls Sie nicht schon qualifiziert signieren – nur empfehlen, sich Ihr Anwendungsszenario und Ihren Kanzleiablauf einmal genau anzusehen, um zu prüfen, ob bei Ihnen vermeidbare Risiken durch die Nutzung der einfachen Signatur entstehen oder Ihnen die vorhandenen Möglichkeiten ausreichen.
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