erschienen im KammerReport 2-2023 | 24.03.2023
Die Satzungsversammlung ist das sogenannte Parlament der Rechtsanwaltschaft. Sie ist ein unabhängiges Beschlussorgan, das organisatorisch bei der BRAK angesiedelt ist. Sie beschließt die Regeln der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) und der Fachanwaltsordnung (FAO). Die Satzungsversammlung verfügt über insgesamt acht Ausschüsse, die sich beispielsweise mit den Themen Allgemeine Berufs- und Grundpflichten, Fachanwaltschaften und Datenschutz befassen.
Die nachfolgend dargestellten Beschlüsse der 4. Satzungsversammlung vom 05.12.2022 zur Änderung der FAO und der BORA wurden am 03.03.2023 auf der Homepage der BRAK veröffentlicht und treten am 01.06.2023 in Kraft.
Rettungsversuch für Sammelanderkonten
Die 7. Satzungsversammlung hat sich in ihrer 4. Sitzung am 5.12.2022 in Berlin erneut mit der Problematik der Sammelanderkonten befasst. Seit Anfang des Jahres 2022 hatten Banken massenhaft die Sammelanderkonten von Anwältinnen und Anwälten gekündigt. Vorangegangen war eine Änderung der Risikoeinstufung in den Auslegungs- und Anwendungshinweisen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die für die Banken einen erhöhten Prüfungsaufwand bezüglich der anwaltlichen Konten mit sich bringt. Die BRAK suchte umgehend das Gespräch mit Bundesfinanz- und -justizministerium, BaFin und Bankwirtschaft, um eine Lösung zu erreichen.
In ihrer Sitzung am 29./30.4.2022 hatte die Satzungsversammlung bereits durch eine erste Änderung in § 4 I BORA klargestellt, dass Anwältinnen und Anwälte Sammelanderkonten nicht generell „auf Vorrat“ unterhalten müssen. Diese Änderung ist zum 1.10.2022 in Kraft getreten.
Darüber hinaus bedurfte es nach Ansicht der Satzungsversammlung jedoch noch weiterer inhaltlicher Präzisierungen und Ergänzungen berufsrechtlicher Pflichten. Damit soll nicht nur Rechtssicherheit für Anwältinnen und Anwälte geschaffen werden, sondern auch die Prüfung der Banken zur Risikoeinstufung erleichtert werden. Künftig müssen Anwältinnen und Anwälte sicherstellen, dass keine Transaktionen über Sammelanderkonten abgewickelt werden, bei denen Risiken der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung bestehen. Bestimmte Geldflüsse dürfen dann generell nicht mehr über Sammelanderkonten laufen, z.B. aus Immobilientransaktionen und Unternehmenskäufen, ferner größere Bargeschäfte und Überweisungen von oder auf Konten in Hochrisikoländern.
Die Satzungsversammlung war sich bewusst, dass die Änderung von § 4 BORA keine Herabstufung des Risikos erzwingen kann. Sie beschloss die Änderung gleichwohl mit überwältigender Mehrheit, um Sammelanderkonten dauerhaft für die Kolleginnen und Kollegen zu erhalten, die auf sie angewiesen sind.
Die Bemühungen um die dauerhafte Erhaltung von Sammelanderkonten zeigen einen ersten Erfolg. In einem Erlass hat das Bundesfinanzministerium zumindest vorübergehend die Nichtbeachtung bestimmter geldwäscherechtlicher Meldepflichten in Bezug auf Sammelanderkonten sanktionslos gestellt.
Ende Dezember hat das Bundesfinanzministerium (BMF) einen Nichtbeanstandungserlass veröffentlicht. Danach soll das Bundeszentralamt für Steuern bis Ende Juni 2023 nicht sanktionieren, wenn Banken anwaltliche Sammelanderkonten als nicht nach dem Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen meldepflichtig behandeln. Hintergrund sind laufende Bemühungen, Sammelanderkonten von der Meldepflicht nach dem sog. Common Reporting Standard (CRS) auszunehmen. Dadurch soll eine Beeinträchtigung der anwaltlichen Berufsausübung abgewendet werden, die aus einem wegen der Meldepflicht erschwerten Zugang zu Sammelanderkonten resultieren könnte.
Weitere Beschlüsse der Satzungsversammlung vom 05.12.2022
Die Satzungsversammlung hat eine klarstellende Änderung in § 4a I FAO beschlossen. Danach sind bei Fachanwaltslehrgängen die Leistungskontrollen „in Präsenzform“ zu absolvieren. Hintergrund der Klarstellung ist, dass sich während der Coronapandemie bei online durchgeführten Lehrgängen eine unterschiedliche Handhabung der Rechtsanwaltskammern herausgebildet hat, ob Online-Klausuren unter Videoaufsicht anerkannt werden. Aufgrund des unverhältnismäßig hohen Missbrauchspotenzials wurde nun klargestellt, dass Klausuren in Präsenz zu schreiben sind.
Die Satzungsversammlung beschloss außerdem, § 24 BORA zu streichen. § 24 BORA ist im Wesentlichen durch nunmehr in § 31 Abs. 7 BRAO geregelte Mitteilungspflicht von Anwältinnen und Anwälten gegenüber der zuständigen Kammer obsolet geworden. Überschießende Regelungen wie die Mitteilung von Änderungen der privaten Wohnanschrift oder die Anzeige der Eingehung oder Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen würden in der Praxis weitgehend nicht umgesetzt und seien daher entbehrlich.
Ferner wurden kleinere Änderungen an weiteren Vorschriften beschlossen. In § 16 BORA, der die Pflicht regelt, auf Prozesskosten- und Beratungshilfe hinzuweisen, wurde klarstellend die Verfahrenskostenhilfe mit aufgenommen. In § 21 BORA, der Honorarvereinbarungen betrifft, wurde die Bezeichnung an die „große BRAO-Reform“ angepasst und daher in „Vergütungsvereinbarungen“ geändert. Auch weitere beschlossene Änderungen in § 18 lit. f und § 20 Nr. 3 FAO sind im Wesentlichen redaktioneller Natur bzw. beinhalten Anpassungen an die „große BRAO-Reform“.
Weiterhin wurden Fassungen von BORA und FAO in geschlechtergerechter Sprache beschlossen. Inhaltliche Änderungen sind mit der gegenderten Fassung von BORA und FAO nicht verbunden, sie berücksichtigen nun aber durchgängig männliche und weibliche Bezeichnungen.
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